Militärbischof Overbeck fordert verteidigungsfähiges Deutschland

"Es wird keine Komfortzone mehr geben"

Militärbischof Franz-Josef Overbeck hält höhere Rüstungsausgaben für notwendig. Angesichts der Bedrohungslage müsse Deutschland Verantwortung übernehmen. Dazu gehöre auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht und ein Sozialdienst.

Autor/in:
Johannes Schröer
Soldaten der Bundeswehr stehen am 24.10.2022 auf der Airbase Ämari in Estland mit ihrer Ausrüstung zusammen. / © Christophe Gateau (dpa)
Soldaten der Bundeswehr stehen am 24.10.2022 auf der Airbase Ämari in Estland mit ihrer Ausrüstung zusammen. / © Christophe Gateau ( (Link ist extern)dpa )

DOMRADIO.DE: Deutschland muss sich wieder verteidigen können. Ist es gerechtfertigt, solche enormen Summe für Rüstung auszugeben?

Bischof Franz-Josef Overbeck / © Nicolas Ottersbach (DR)
Bischof Franz-Josef Overbeck / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Franz-Josef Overbeck (Militärbischof): Angesichts der aktuellen Weltlage ist es notwendig, sich verteidigungspolitisch neu aufzustellen, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren zu verteidigen. Besonders für Deutschland ist dies wichtig, da diesem Thema in den vergangenen Jahrzehnten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

DOMRADIO.DE: Die bereitgestellte Summe ist enorm und wird auch gesellschaftliche Konsequenzen haben. 

Overbeck: Die hohe Summe ist einerseits nötig, um moderne, digitale und algorithmisch gesteuerte Waffensysteme zu entwickeln. Andererseits ist sie auch im Vergleich zur bisherigen geringen Ausstattung gerechtfertigt. Zudem kann eine erfolgreiche Verteidigung nur in Bündnisstrukturen gelingen, zu denen Deutschland seinen Beitrag leisten muss.

Franz-Josef Overbeck

"Angesichts der derzeitigen 180.000 Soldaten ist es jedoch nicht einfach, eine ausreichend große Zahl neuer Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen."

DOMRADIO.DE: Diskutiert wird auch die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Was sagen Sie als Militärbischof dazu?

Overbeck: Wichtig ist, dass die Sozialpflicht für alle gilt, für Männer und Frauen. In diesem Zusammenhang kann auch die Wehrpflicht eine Option sein. Angesichts der derzeitigen Truppenstärke von 180.000 Soldatinnen und Soldaten ist es jedoch nicht einfach, eine ausreichend große Zahl neuer Soldatinnen und Soldaten zu gewinnen. Daher hoffe ich, dass dies nicht nur das soziale Verantwortungsbewusstsein junger Menschen stärkt, sondern auch verdeutlicht, dass wir etwas für unser Land tun müssen, mit Wirkung über die eigenen Grenzen hinaus.

Bundeswehrsoldaten der European Union Training Mission Mali (EUTM) warten in Bamako in Mali auf die Bundesministerin der Verteidigung. / © Kay Nietfeld (dpa)
Bundeswehrsoldaten der European Union Training Mission Mali (EUTM) warten in Bamako in Mali auf die Bundesministerin der Verteidigung. / © Kay Nietfeld ( (Link ist extern)dpa )

DOMRADIO.DE: Gibt es ausreichend Zivildienststellen in der Kirche, wenn parallel dazu ein soziales Jahr als Alternative angeboten wird? Ist die Kirche darauf vorbereitet?

Overbeck: Wir müssen das Angebot zwar noch ausbauen, aber angesichts der großen Herausforderungen in Krankenhäusern, Altenheimen, Seniorenzentren, Hospizen, Kindergärten und Schulen ist es umso wichtiger, mutig voranzugehen und die soziale Betreuung weiter zu stärken.

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Militärbischof Overbeck begrüßt finanzielle Investition für Rüstungsausgaben

DOMRADIO.DE: Wenn die Wehrpflicht nur ein oder anderthalb Jahre dauert, stellt sich die Frage, ob diese Zeit ausreicht, um Soldatinnen und Soldaten so auszubilden, dass sie einsatzfähig sind.

Overbeck: Einerseits muss die Bundeswehr weiterentwickelt werden, um langfristig Soldatinnen und Soldaten für den Dienst zu gewinnen. Andererseits ist es wichtig, den Reservistenbereich zu stärken, da es auch hier eindeutig Nachholbedarf gibt.

DOMRADIO.DE: Sollen Wehrpflichtige auch für Fronteinsätze eingesetzt werden?

Auf diesem vom Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums am Montag, 28. Oktober 2024, veröffentlichten Foto feuert ein russischer T-80BVM-Panzer auf ukrainische Stellungen an einem nicht genannten Ort in der Ukraine / © Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service (dpa)
Auf diesem vom Pressedienst des russischen Verteidigungsministeriums am Montag, 28. Oktober 2024, veröffentlichten Foto feuert ein russischer T-80BVM-Panzer auf ukrainische Stellungen an einem nicht genannten Ort in der Ukraine / © Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service ( (Link ist extern)dpa )

Overbeck: Es wird darauf ankommen, wie sich mögliche kriegerische Auseinandersetzungen entwickeln, hoffentlich bleiben sie aus. Sollte es dennoch dazu kommen, wird es keine Komfortzone mehr geben.

DOMRADIO.DE: Im Bund wird derzeit ein Bereitschaftsplan für den Notfall in Deutschland diskutiert. Ihr evangelischer Militärbischofs-Kollege, meinte, auch die Kirchen bräuchten einen solchen Plan für Krisensituationen. Wie sehen Sie das?

Overbeck: Als Militärbischöfe sind wir für die Begleitung der Soldatinnen und Soldaten zuständig. Unser Einsatzplan ist einfach. Wir sind da, wo die Soldaten sind. Wir reagieren auf politische und militärische Entwicklungen. Das gilt für die gesamte Militärseelsorge, egal ob evangelisch, katholisch oder jüdisch. 

Wir müssen aber bescheiden bleiben. Auf katholischer Seite gibt es aktuell 75 Stellen, mit 57 Priestern und 17 bis 18 pastorale und gemeindliche Referenten. Die evangelische Militärseelsorge hat 104 und die jüdische zehn. Einige glauben, dass wir weitere Seelsorger rekrutieren könnten, die vor Ort ihren Dienst tun, aber diese Entscheidung liegt nicht bei uns, sondern bei den jeweiligen Bischöfen und Präsidenten.

Franz-Josef Overbeck

"Ich sage in dieser hochdifferenzierten Lage, dass es gut ist, Menschen zu haben, die uns daran erinnern, dass der erste Weg zum Frieden der ohne Waffen ist."

DOMRADIO.DE: Was entgegnen Sie den Vertretern von Pax Christi, die zu zivilem Ungehorsam aus der Bürgergesellschaft heraus aufrufen, um Widerstand gegen die Aufrüstung zu leisten, anstatt das Geld für Waffen auszugeben?

Overbeck: In dieser hochdifferenzierten Lage, entgegne ich, dass es gut ist, Menschen zu haben, die uns daran erinnern, dass der erste Weg zum Frieden der ohne Waffen ist. Doch wenn uns eine solche Situation droht, wie sie jetzt möglich ist, müssen wir die Ziele eines Waffeneinsatzes genau bestimmen. Diese Ziele sollten immer auf Frieden und das Gute ausgerichtet sein, auch wenn dabei möglicherweise Waffen eingesetzt werden müssen.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Militärseelsorge

Nach dem Soldatengesetz hat jeder Soldat und jede Soldatin Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung.

Bislang leisten in der Bundeswehr die evangelische und die katholische Kirche sowie die jüdische Gemeinschaft eine vertraglich vereinbarte Militärseelsorge für die Soldaten und deren Angehörige.

Soldaten der Bundeswehr / © Daniel Reinhardt (dpa)
Quelle:
DR

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