Militärbischof Overbeck warnt vor "Sendebewusstsein" Putins

"Das ist hoch gefährlich"

Militärbischof Franz-Josef Overbeck hat christlich motivierte Legitimationen des russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Einmarsch in die Ukraine verurteilt. Auch den Moskauer Patriarchen Kyrill kritisierte er deutlich.

Wladimir Putin / © Uncredited/Pool Sputnik Kremlin/AP (dpa)
Wladimir Putin / © Uncredited/Pool Sputnik Kremlin/AP ( dpa )

Putin spreche der Ukraine mit Verweis auf die historische Taufe der Rus in Kiew das Recht auf Staatlichkeit ab, sagte Overbeck im Interview der Zeitschrift "Publik-Forum" (Ausgabe vom Freitag). "Das zeigt ein Sendungsbewusstsein, das hoch gefährlich ist, weil es ideologisiert und immunisiert."

Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Gespräch (Archiv) / © Dana Kim Hansen (KNA)
Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Gespräch (Archiv) / © Dana Kim Hansen ( KNA )

Als "bizarres Paradox" bezeichnete es der Essener Bischof, dass Teile der russisch-orthodoxen Kirche nationalistische Sichtweisen verträten und den Krieg guthießen. Staat und Kirche instrumentalisierten sich gegenseitig, kirchliche Stellungnahmen hätten dann keinen Wert mehr.

Kritik an Patriarch Kyrill

Jedoch wies Overbeck auch darauf hin, dass weltweit die orthodoxen Kirchen mehrheitlich gegen den Krieg seien. Der Moskauer Patriarch Kyrill sei folglich "eine Ausnahme".

Patriarch  Kyrill I. (l.) / © Natalia Gileva (KNA)
Patriarch Kyrill I. (l.) / © Natalia Gileva ( KNA )

Overbeck verteidigte Papst Franziskus gegen den Vorwurf, die russische Aggression nicht nachdrücklich genug zu verurteilen.

Bislang hat das Kirchenoberhaupt weder Putin noch Kyrill namentlich kritisiert. Der Papst sei in seinem Friedensappell "sehr deutlich" gewesen, sagte Overbeck. Dass seine Kritik gegenüber Putin weniger scharf gewesen sei, als die Papst Johannes Pauls II. gegenüber dem US-Präsidenten George W. Bush nach dem Ausbruch des Irak-Krieges 2003, führt der Ruhrbischof auch auf die Herkunft des derzeitigen Kirchenoberhauptes zurück: "Als Nicht-Europäer sieht Franziskus die Konfliktlinien möglicherweise anders als wir."

Eine moralische Pflicht, die Ukraine mit Waffenlieferungen zu unterstützen, wie der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederholt gefordert hat, sehe er nicht, erklärte Overbeck. "Aber es gibt eine praktisch-pragmatische Begründung, die man ethisch vertreten kann. In einem solchen Rahmen verstehe ich das, was jetzt Bündnispartner der Nato für die Ukraine tun."

Kein "gerechter Krieg"

Auch von einem "gerechten Krieg" würde er nicht sprechen wollen; dennoch gebe es "gerechtfertigte Anlässe einzugreifen", betonte der Militärbischof. "Es ist wichtig, dass wir als Christen darauf hinweisen, dass der Krieg eine äußerst brutale Gestalt des Bösen ist und nicht sein soll. Und dass uns die Nachfolge Christi verpflichtet, Wege der Versöhnung zu suchen. Diese dürfen auch im Krieg niemals vergessen werden."

Soldaten der Bundeswehr / © Daniel Reinhardt (dpa)
Soldaten der Bundeswehr / © Daniel Reinhardt ( dpa )

Die von der Bundesregierung ausgesprochene Investition von 100 Milliarden Euro zur Ausrüstung der Bundeswehr nannte Overbeck "mutig", obschon sie zu Spannung innerhalb der Koalition führe.

Politisch und militärisch halte er die Entscheidung aber für richtig, erklärte der Bischof.

Putin begründet "Volksrepublik"-Anerkennung religiös

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk per Dekret als unabhängige Staaten anerkannt. In einer langen TV-Ansprache führte er als Argument für den Schritt unter anderem eine angebliche Verfolgung von orthodoxen Christen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine an.

Beide Regionen gehören zur Ukraine, sind aber seit 2014 unter der Kontrolle prorussischer Separatisten. "In Kiew bereiten sie weiter Gewaltakte gegen die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats vor", so Putin.

Drei Kuppeln einer russisch-orthodoxen Kirche mit Kreuzen  / © Galina Chet (shutterstock)
Drei Kuppeln einer russisch-orthodoxen Kirche mit Kreuzen / © Galina Chet ( shutterstock )
Quelle:
KNA