Die Soldaten würden nicht zuerst über Gottesdienste erreicht, sondern bei alltäglichen Begegnungen auf dem Truppenübungsplatz oder im Einsatz.
DOMRADIO.DE: Aus rund 40 Ländern kommen die Soldaten. Und wenn sich Soldaten aus vielen Ländern treffen, dann ist das auch immer ein Zeichen für Verständigung und Frieden. Die Katholische Kirche tut ja einiges dafür: Einmal im Jahr zum Beispiel gibt es auch die internationale Soldaten-Wallfahrt nach Lourdes. Kann man diese Wallfahrt auch als Friedenswallfahrt bezeichnen? Wie würden Sie es einschätzen?
Monsignore Rainer Schnettker (Leiter des Militärdekanats Köln): Ja, auf jeden Fall. Allein die Ursprünge sind ja schon darin begründet, dass damals nach dem Zweiten Weltkrieg die französische Militärseelsorge international eingeladen hat - eben auch als Wallfahrt der Versöhnung, des Zusammenführens und des Friedens. Von daher ist es bei der großen Internationalität auch heute noch vor allem eine Friedenswallfahrt.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Soldaten handfeste Männer und Frauen. Kann man die überhaupt dazu bewegen, zusammen zu beten oder in einen so frommen Ort wie Lourdes zu fahren?
Schnettker: Ich glaube nicht, dass die Herren und Damen durch ihre Stärke oder durch ähnliche Muster nicht mehr fromm wären oder dass sie nicht emotional reagieren würden - ganz im Gegenteil. Ich glaube, das ist genau die Herausforderung für den Einzelnen als auch für uns.
DOMRADIO.DE: Der Glaube in der Gesellschaft verändert sich ja zunehmend. Immer weniger Menschen sind katholisch oder evangelisch. Wie macht sich denn dieser gesellschaftliche Wandel in der Truppe bemerkbar?
Schnettker: Das könnte man zunächst einmal zahlenmäßig belegen. Es sind ungefähr 25 bis 30 Prozent katholische Soldatinnen und Soldaten. Aber das ist natürlich ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Wir haben natürlich dadurch eine positive Herausforderung, dass wir nicht nur diesen katholischen Soldatinnen und Soldaten begegnen, sondern in unserem täglichen Dienst allen.
DOMRADIO.DE: Das heißt, wie erreichen Sie die dann, wenn Sie sie zum Beispiel zu Gottesdiensten einladen möchten?
Schnettker: Durch die Begegnung. Wir sind ja auf Truppenübungsplätzen und ebenso im normalen Dienstalltag dabei. Es ist ein bisschen wie Betriebsseelsorge. Wir sind vor allem unter der Woche präsent - auch in den vielen Begegnungen des Alltäglichen als auch des Besonderen, auf Truppenübungsplätzen und im Einsatz.
DOMRADIO.DE: Wenn Menschen sehr jung sind - und das sind sie ja in der Regel, wenn sie zur Bundeswehr kommen: Ist es dann eine besondere Chance, sie anzusprechen und auf sie zuzugehen?
Schnettker: Ja, auf jeden Fall, weil ja gerade auch bei den Jüngeren viele Prozesse ablaufen, wie Beziehungen und Trennungen. Da werden wir häufig als Ansprechpartner angefragt, zu unterstützen und Hilfestellung zu geben. Es gibt verschiedenste Begegnungsmöglichkeiten innerhalb des soldatischen Alltags und das ist natürlich unser Vorteil.
DOMRADIO.DE: Es geht also darum für Sie als Militär andere Formen der Pastoral zu entwickeln. Wie können die denn aussehen?
Schnettker: Manchmal bezeichnen wir das als Hochseefischerei. Wir haben natürlich nicht diesen engeren katholischen Zirkel bei uns, sodass wir von der Pastoral nicht mit den traditionellen Dingen wie Gottesdiensten und ähnlichem als erstes mit den Soldaten in Kontakt treten, sondern häufig über zwischenmenschliche Fragen. Es gibt ja zum Beispiel den lebenskundlichen Unterricht.
Dann entwickeln sich natürlich über die Gespräche erste gottesdienstlichähnliche Formen, wo man quasi im Vorfeld der Pastoral Gott sehr gut mit ins Spiel bringen kann beziehungsweise die Soldaten selbst auch danach fragen kann. Wir sind für die Soldaten natürlich etwas "Reizvolles" - im doppelten Sinne des Wortes. Dadurch ergeben sich natürlich sehr viele interessante Gespräche, die dann natürlich auch in den Glauben hineinragen.
Das Interview führte Tobias Fricke.