Militärjunta geht gegen kirchliche Einrichtungen in Myanmar vor

"Krieg gegen religiöse und ethnische Minderheiten"

Die Anschläge gegen religiöse Stätten in Myanmar reißen nicht ab. Jüngst fiel die Kathedrale von Banmaw einem Feuer zum Opfer, mutmaßlich von der Militärjunta verursacht. Bettina Tiburzy vom Hilfswerk Missio sieht Christen in Gefahr.

Autor/in:
Moritz Mayer
Christen stehen in Myanmar unter Druck (Archivbild) / © Paul Haring (KNA)

DOMRADIO.DE: Myanmar ist eines der Schwerpunktländer für missio im Jahr 2025. Sie kennen dieses Land gut. Jüngst wurde die Kathedrale von Banmaw in Brand gesetzt. Überrascht Sie das oder ist das die neue Realität in Myanmar? 

Bettina Tiburzy, Referentin bei Missio / © Fotostudio Jünger, Aachen (privat)
Bettina Tiburzy, Referentin bei Missio / © Fotostudio Jünger, Aachen ( privat )

Bettina Tiburzy (Referentin bei missio): Das überreicht mich traurigerweise leider nicht. Wir sehen, dass sich der Bürgerkrieg und der Konflikt im Land momentan drastisch zuspitzen. Es ist auch nicht die erste kirchliche Einrichtung und nicht die erste Kirche, die bombardiert und in Brand gesetzt wurde. Es ist eine von ganz vielen kirchlichen Einrichtungen, die Ziel der Militärjunta geworden sind. 

DOMRADIO.DE: Geschätzt sind sechs Prozent der Einwohner in der Region Christen. Wie muss man sich den Alltag als gläubiger Christ vor Ort vorstellen? 

Tiburzy: Es gibt sechs Prozent Christen im Land, die Katholiken machen ein Prozent aus. Ich sehe diesen Konflikt nicht als eine Unterdrückung von Gläubigen, sondern es geht darum, den Widerstand in Myanmar zu brechen. Dazu muss man wissen, dass die Christen zur übergroßen Mehrheit den ethnischen Minderheiten angehören. Die Militärjunta führt Krieg gegen religiöse und ethnische Minderheiten. 

Das ist ein Konflikt, der schon lange besteht. Mit dem Militärputsch 2021 hat es eine leichte Demokratisierung in dem Land gegeben. Seit zehn Jahren aufkeimende Hoffnung ist damit beendet worden. Viele ethnische Gruppen, unter anderem auch die Christen in dem Land, haben sich dagegen gewendet. Das betrifft nicht nur die Christen, das betrifft auch Buddhisten und Muslime. 

Die katholische Kirche ist in dieser Beziehung ganz wichtig, weil sie viele Sachen, die für die Bevölkerung wichtig sind, wie zum Beispiel schulische Bildung und auch Krankenhäuser betreibt. Viele Ärzte haben das Land verlassen. Schulen und Universitäten sind vom Militär besetzt. Die Kirche versucht durch informelle Bildung in diesem Bereich für die Bevölkerung eine lebenswerte Möglichkeit zu schaffen und vor allen Dingen auch die Moral der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. 

Viele Leute verlieren langsam die Hoffnung. Das ist das Ziel dieser Bombardierungen. Sie versuchen, Leute zu demotivieren und die Moral zu brechen. Deswegen sind auch kirchliche Einrichtungen ein Ziel dieser Attacken.

Bettina Tiburzy

"Es ist sogar so, dass junge Menschen oft von der Straße gekidnappt werden und zum Armeedienst gezwungen werden".

DOMRADIO.DE: Das Thema Bildung ist vor allem für junge Menschen ganz wichtig. Als Sie zuletzt in Myanmar unterwegs waren, haben Sie auch mit jungen Leuten gesprochen. Was haben die Ihnen erzählt und wie wirkt sich diese Lage auf ihr Leben aus?

Tiburzy: Es ist für junge Leute eine Katastrophe, anders kann man es leider nicht sagen. Alle Leute, die wir getroffen haben, möchten das Land verlassen. Die wenigsten können es. Sie haben keinen Pass und bekommen auch kein Visum. Sie müssen jederzeit fürchten, in das Militär eingezogen zu werden. Es gibt ein Gesetz, was es der Armee ermöglicht, junge Frauen und Männer in die Armee einzuziehen. Sie tun das auch. Es ist sogar so, dass junge Menschen oft von der Straße gekidnappt werden und zum Armeedienst gezwungen werden. 

Mittlerweile erreichen uns sogar Berichte, dass 13-Jährige in bestimmten Gebieten entführt werden. Manchmal kann man es schaffen, diese jungen Menschen mit Lösegeld wieder zurückzuholen. Es ist aber sehr schockierend zu sehen, dass junge Leute und sogar Kinder zum Armeedienst gezwungen werden.

Die Menschen, die ich getroffen habe, waren regelrecht verzweifelt, weil sie eigentlich gerne das Land verlassen würden. Sie würden gerne ihre Zukunft planen, sie möchten studieren. Sie wollen nicht an die Universitäten im Land, weil sie teilweise von der Armee besetzt sind. 

Als Art informeller Ausbildung besuchen sie Einrichtungen der Kirche, wo bestimmte Inhalte gelehrt werden. Sie versuchen, so gut es möglich ist, in diesen schwierigen und unsicheren Bedingungen ihr Leben fortzusetzen. Ich habe auch mit Leuten gesprochen, die gesehen haben, wie Menschen nach dem Sport von Armee oder Polizisten abgeführt wurden. Es macht den Leuten solche Angst auf die Straße zu gehen, weil sie jederzeit mitgenommen werden könnten. Besonders, wenn es dunkel wird.

Bettina Tiburzy

"Wir haben auch Schwestern getroffen, die mit Waisenkindern geflohen sind".

DOMRADIO.DE: Sie waren vor einem Jahr dort. Welche Eindrücke, die Sie mitgenommen haben, wirken heute noch in Ihnen nach? 

Tiburzy: Für mich ist es ein ganz wichtiger Eindruck, dass viele Menschen, die ich getroffen habe, mutig sind. Wir haben einen Bischof in Loi-kaw getroffen, der selber aus seinem Bischofssitz geflüchtet ist. Fast alle Christen sind aus Loi-kaw geflohen. Sie leben seither in Flüchtlingslagern, entweder im Dschungel oder in Städten. Es handelt sich um Hunderttausende. 

In ganz Myanmar sind über drei Millionen Menschen auf der Flucht und trotzdem versuchen kirchliche Partner Möglichkeiten für die Menschen zu schaffen, damit sie ihr Leben in dieser Unsicherheit fortführen. Ich war sehr beeindruckt von dem Mut der Menschen. Wir haben auch Schwestern getroffen, die mit Waisenkindern geflohen sind. Die Kinder dürfen jetzt wieder eine gewisse Art von Schulbildung genießen. Sie hatten sogar die Möglichkeit, ein Instrument zu lernen. Das Wichtigste ist, dass sie jetzt an einem Ort sind, wo sie sicher sind. 

Ich war beeindruckt von dem Mut unserer kirchlichen Projektpartner und der Hoffnung, dass es sich auch wieder zum Guten wendet. Denn im Moment ist es leider so, dass eine Lösung dieses Konfliktes nicht wirklich in Sicht ist. 

Bettina Tiburzy

"Sie waren sehr glücklich, dass jemand sich für sie interessierte. Sie haben uns auch gebeten, darüber möglichst oft und möglichst differenziert zu sprechen, auch hier in Deutschland".

DOMRADIO.DE: Sie haben von dem Mut gesprochen, der zuversichtlich macht, aber auch von Zwangsrekrutierung, von Flucht und von Gewalt. Ist das eine Spirale der Gewalt in Myanmar oder gibt es auch Wege da raus? 

Tiburzy: Im Moment ist es sehr schwer, eine Lösung dieses Konfliktes zu sehen, denn die Militärjunta wird von Russland und China unterstützt. Sie hat Kampfflugzeuge, das haben die Widerstandsgruppen und ethnischen Armeen in Myanmar nicht. Das ist ein Problem, was nicht dort gelöst werden kann. Es musste eigentlich auf internationaler Ebene gelöst werden. 

Es gibt das Problem, dass auf internationaler Ebene im Moment überhaupt kein Interesse besteht, sich mit diesem Konflikt zu beschäftigen. Es gibt momentan andere Konflikte, die in den Medien präsent sind. Für Myanmar ist es aber ein trauriges Schicksal. Eigentlich müsste die internationale Gemeinschaft sehr viel mehr Druck ausüben. Das ist ein riesengroßes Problem. 

Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir beim Weltmissionssonntag von missio das Land Myanmar vorstellen. Es ist einer der vergessenen Konflikte. Es ist wichtig zu zeigen, dass man die Menschen nicht vergessen darf. Das war auch das große Anliegen der Menschen, die ich getroffen habe. Sie waren sehr glücklich, dass sich jemand für sie interessierte. Sie haben uns auch gebeten, darüber möglichst oft und möglichst differenziert zu sprechen, auch hier in Deutschland.

Dieses Interview führte Moritz Mayer.

Hintergrund: Myanmar

Der in Südostasien gelegene Staat Myanmar ist auch unter seinem älteren Namen Burma beziehungsweise Birma bekannt. Das Land grenzt an Thailand, Laos, China, Indien und Bangladesch. Größte Stadt ist die am Irrawady-Delta gelegene 5-Millionen-Einwohner-Metropole Rangun/Yangon. Regierungssitz ist seit 2005 Naypyidaw im Zentrum des Landes.

Myanmar: Demonstranten halten Portraits von Aung San Suu Kyi hoch / © Daniel Ceng Shou-Yi (dpa)
Myanmar: Demonstranten halten Portraits von Aung San Suu Kyi hoch / © Daniel Ceng Shou-Yi ( (Link ist extern)dpa )
Quelle:
DR

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