Wie früh sie heute Morgen alle aufgestanden sind, mag man sich gar nicht vorstellen. Mehrere Stunden hat für viele die Anfahrt über holprige Lehmpisten und Schotterstraßen gedauert. Nun sind alle eingetroffen in einem Ort im weiten Südwesten Kolumbiens, dessen Name heute Programm ist: La Union - die Vereinigung.
Die Kleinbäuerinnen und -bauern der katholischen Landpastoral im Bistum Pasto feiern heute mit einem festlichen Gottesdienst den Jahrestag ihrer Gründung. Aus Deutschland zu Gast bei Freunden: eine Delegation des bischöflichen Hilfswerks Misereor.
Ein paar Verspätete tröpfeln noch ein und werden herzlich begrüßt. Und dann beginnt eine eindrückliche Präsentation: Frauen, Jungen und Mädchen in traditioneller festlicher Kleidung bearbeiten den nackten Betonboden der offenen Mehrzweckhalle.
Sie legen einen großen Kreis aus Fasern der Agave, daran entlang Blumen und blühende Zweige.
Wachtsum einer Szene
Dann folgen blaue Stoffbänder, die durch den Kreis mäandern. Und als die Männer kommen und den Kreis mit einer Bodenkrume ausfüllen, wird erstmals klar, was all das soll: Hier wird die Erde erschaffen, mit ihrem Wasser und dem Land.
Erste Pflanzen bedecken bald den Boden. Und dann eine anrührende Szene. Stellvertretend für den Menschen, den Adam, wird ein alter Mann mit Hut von seiner Familie in die Mitte des Kreises gebracht: ein Gründungsmitglied der katholischen Landpastoral.
Landwirtschaft für Drogen
Er war schon über 50 Jahren dabei, als die ersten Kleinbauern der Provinz mit kirchlichen Helfern lernten, auf die Umwelt und die Natur zu achten; statt auf Monokulturen auf unterschiedliche Pflanzen zu setzen und sich so unabhängiger vom Markt und seinen Preisen zu werden.
Und es wächst viel hier im fruchtbaren Hochland des
Departamento de Narino. Allerdings stand in Kolumbiens über 50-jährigem blutigen Bürgerkrieg (1958-2012/16) zwischen linken Rebellen, Gangstern, rechten Regierungen und Paramilitärs mehr und mehr eines im Vordergrund: der Anbau von Koka für die weltweite Nachfrage nach Kokain. Hier gab es ideale Bedingungen für dunkle Machenschaften: Die Abgeschiedenheit sorgte für Abwesenheit von Staat und Polizei; dazu viele Schluchten und ein Flusssystem, mit dem sich die Drogen zum nahen Pazifik schaffen ließen.
Ersatzprodukte laufen kaum
Nun ist es keineswegs so, dass früher alle Bauern der Region Narino Koka anbauten. Doch der Druck der Gewalt war groß, die Verdienstmöglichkeiten vergleichsweise lukrativ. Aber auch für andere Arten von Monokulturen - etwa Agaven, deren Fasern zur Herstellung von Kaffeesäcken dienen - werden ganze Hänge zerstört, Böden ausgelaugt und Wasserreservoirs ausgetrocknet.
Kolumbiens Regierungen, die großbürgerlichen der Vergangenheit wie auch die aktuelle Reformregierung des Linken Gustavo Petro, tun sich schwer mit einer Umstellung auf Ersatzprodukte: Kakao statt Koka, so läuft es noch nicht; trotz guter Weltmarktpreise und einem günstigen Klima.
Solidarischer und ökologischer Landbau
Die Landpastoral im Bistum Pasto tut schon seit den 70er Jahren alles, um Bauernfamilien Alternativen für ihre Arbeit und ihr Leben aufzuzeigen. Aus bescheidenen Anfängen ist, auch mit der Unterstützung von Misereor, über die Jahrzehnte eine immer größere Bewegung von rund 3.000 Familien geworden; für nachhaltigen ökologischen Anbau, Artenvielfalt und einen solidarischen Austausch von Lebensmitteln und Saatgut.
Ökologischer Landbau in Kolumbien ist auch das Beispiel für die diesjährige Misereor-Fastenaktion. Der Slogan: "Interessiert mich die Bohne". Und der Bauernjunge mit der Bohne, der dieser Tage auf vielen Plakatwänden in Deutschland zu sehen ist, hilft auch an diesem Sonntag mit.
Hart, aber lebenswert
Der elfjährige Alexis Burbano ist dabei, als immer neue Pflanzen, Gemüse und Früchte, auf die symbolische Erde getragen werden: Maniok, Ananas und Mandarinen, Kartoffeln, Möhren und - natürlich - Bohnen. Auch Meerschweinchen, Kaninchen und Küken dürfen nicht fehlen, als Vertreter des Tierreichs.
In der nun anschließenden Messfeier wird deutlich: Hier feiern Menschen ihr Leben; ein Leben, das Tag für Tag hart ist, aber lebenswert. Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger, Misereor-Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, sagt in seiner
Predigt, es gebe mittlerweile 1,4 Milliarden Katholiken auf der Welt.
Tauschbörse zum Schluss
"Was könnten wir für Veränderungen bewirken, wenn wir unsere Sendung erst nähmen? Und wir sehen ja hier, was möglich ist - Sie zeigen es uns! Bleiben Sie dieser Sendung treu. Wir alle haben die Macht, diese Welt jeden Tag ein bisschen besser zu machen."
Ganz am Schluss, nach all den Gesängen, Worten und Tänzen, wird dann die Erde zur Tauschbörse: Wer Meerschweinchen mitgebracht hat, tauscht sie nun gegen Kohl und Küken; eine Ananas geht für Eier und Zwiebeln weg. Es lebe die Vielfalt!