Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Bornhorst, auf ihrem Treffen in Bonn wollen die Außenminister der G20 auch über die Agenda 2030 reden – was wäre Ihnen dabei besonders wichtig?
Bernd Bornhorst (Misereor-Experte): Zunächst einmal ist es gut, dass sich die G20 bereits bei ihrem letzten Gipfel in China ausdrücklich zu dieser Agenda bekannt haben. Und dass die Bundesregierung im Rahmen ihrer laufenden G20-Präsidentschaft das Thema aufgreift. Aber ich sehe zugleich die Gefahr, dass die führenden Wirtschaftsnationen nur die Rosinen herauspicken und dadurch nicht mehr an einem Strang mit der UN ziehen.
KNA: Inwiefern?
Bornhorst: Indem sie eine Prioritätenliste erstellen, auf der einige Themen gar nicht mehr auftauchen, wie zum Beispiel Bildungspolitik und Rechtsstaatlichkeit. Beides ist aber äußerst wichtig, um die in der Agenda formulierten Ziele einer nachhaltigen und verantwortlichen Entwicklung für alle Menschen auf dieser Erde zu erreichen.
KNA: Die G20 sind aber nun einmal im Kern eine Gruppe, die sich um Handel und Wirtschaft kümmert - und vielleicht weniger um Bildungspolitik oder Rechtsstaatlichkeit.
Bornhorst: Der Glaube an Wirtschaftswachstum als Allheilmittel steht aber in einem eklatanten Widerspruch zu der Agenda 2030, die beispielsweise auf die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten verweist. Dieser Widerspruch ist bislang überhaupt nicht aufgegriffen worden.
KNA: Solche dicken Bretter wird man in Bonn wohl kaum bohren.
Bornhorst: Ich hielte es schon für einen Gewinn, wenn von Bonn aus ein Signal zur Stärkung für die Zivilgesellschaft ausginge. Denn die Freiräume von Helfern, Menschenrechtlern oder anderen Aktivisten werden weltweit dramatisch kleiner. Und in Bonn sitzen einige Staaten mit am Tisch, die für diesen beunruhigenden Trend verantwortlich sind, wie zum Beispiel Indien, China, die Türkei und Russland.
KNA: Auch US-Präsident Donald Trump scheint ein Problem mit einer kritischen Zivilgesellschaft zu haben. Wie sieht es mit der Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit seitens der neuen US-Administration etwa auf dem Feld der Entwicklungspolitik aus?
Bornhorst: Trump hatte viele religiöse Wähler. Deswegen glaube ich nicht, dass die US-Regierung weniger Geld für die humanitäre Hilfe bereitstellt. Bei der strukturellen Entwicklungspolitik allerdings sieht das anders aus. Dafür hat der neue Präsident, glaube ich, kaum einen Sensus. Da braucht es seitens der anderen Staaten einen langen Atem.
KNA: Und der Kampf gegen den Klimawandel?
Bornhorst: Könnte uns zurückwerfen auf die Ära unter George W. Bush junior. Da war es sinnvoller, Veränderungen über die einzelnen US-Bundesstaaten zu erwirken. Vielleicht könnte man Trump dafür gewinnen, wenn man ihm zeigt, dass alternative Energien lukrative Geschäftsfelder sind. Die Chinesen machen das gerade vor.
KNA: Aber Hand aufs Herz - treibt Sie das alles als Vertreter einer Hilfsorganisation nicht in die Verzweiflung?
Bornhorst: Im Gegensatz zu vielen Politikern, die sich jetzt in Bonn treffen, haben wir den Vorteil, dass wir nicht alle vier Jahre in einen Wahlkampf müssen. Und dass wir uns stattdessen um langfristige Dinge kümmern können. Da müssen wir halt in den Ring steigen und immer aufs Neue unsere Positionen erklären. Dass etwa der Kampf gegen Fluchtursachen nicht zu einem Kampf gegen Flüchtlinge und deren Zuzug in die reichen Länder des Westens wird. Es geht letzten Endes darum, wie wir in Zukunft auf dieser Welt leben wollen.
KNA: Das klingt sehr pathetisch.
Bornhorst: Wer sich dieser Frage nicht stellt, ist wie ein Kind, dass beim Versteckspielen die Hand vor die Augen hält und meint: Wenn ich nichts sehen kann, dann sieht mich auch keiner. So kommen wir aber nicht weiter.
Das Interview führte Joachim Heinz.