Richard Trahant und der Jesuitenpater Anthony McGinn waren einst wie Sohn und Vater. Trahant besuchte, wie mehrere Familienmitglieder vor ihm, die Jesuiten-Schule von New Orleans, die McGinn leitete. Die engen Bande zwischen früherem Schüler und Lehrer gingen 2021 in die Brüche. McGinn kappte den Kontakt, als der inzwischen als Anwalt tätige Trahant die Rechtsvertretung eines ehemaligen Jesuiten-Schülers übernahm. Der behauptete, der Hausmeister der Schule habe ihn seinerzeit vergewaltigt.
Schlüsselperson im Rechtsstreit
Ein beruflicher wie privater Wendepunkt für den heute 56 Jahre alten Anwalt, der seitdem immer mehr Klienten vertritt, die Missbrauchsklagen gegen die Erzdiözese New Orleans eingereicht haben. Trahant hat mittlerweile seinen Glauben verloren und ist zur Schlüsselperson in einem erbitterten Rechtsstreit zwischen Erzbistum, mutmaßlichen Opfern und dem Konkursgericht geworden.
Besonders verzwickt wird die Auseinandersetzung durch die Eigenheiten des US-Insolvenzrechts. Wegen Dutzender kostspieliger Missbrauchsklagen hatte die Erzdiözese 2020 Insolvenz nach "Chapter 11" beantragt. In den USA gibt es zwei unterschiedliche Insolvenzverfahren, die nach den jeweiligen Kapiteln im Konkursrechtsgesetz bezeichnet werden. Während das Ziel eines Chapter-7-Verfahrens die Liquidierung eines bankrotten Unternehmens ist, handelt es sich bei Chapter 11 eher um ein Sanierungsverfahren unter gerichtlicher Aufsicht.
Intransparenz in New Orleans
Auch andere US-Diözesen sahen sich in den vergangenen Jahren gezwungen, diesen Weg zu beschreiten. Was die Causa New Orleans so speziell macht, ist die Intransparenz im Umgang mit dem Wissen um die Täter. Viele von ihnen sind namentlich bekannt, aber nicht die Details ihrer Taten. Das liegt nicht zuletzt an der eigenwilligen Amtsführung von Konkursrichterin Meredith Grabill.
Sie hat die Offenlegung entsprechender Kirchenakten verboten und verhängte eine 400.000-Dollar-Strafe gegen Anwalt Trahant. Der hatte vor zwei Jahren den Leiter einer anderen Jesuitenschule vor einem dort tätigen Seelsorger gewarnt. Der Geistliche arbeitete an der Schule, obwohl er vor mehr als 30 Jahren ein Mädchen belästigt hatte. Grabill wertete die Warnung als sanktionswürdigen Verstoß gegen Geheimhaltungspflichten.
Opfer-Verteidiger zum Schurken gemacht
Zahlreiche Experten wie Jeff Anderson sehen in Grabills Vorgehen eine Vertuschung von Missbrauch. "New Orleans ist einzigartig", kommentiert der prominente Opfer-Anwalt. Grabill habe sich die Position der Kirche zu eigen gemacht, um einen Anwalt anzugreifen. So werde der Opfer-Verteidiger zum Schurken gemacht.
Anderson und andere Fachleute sind der Ansicht, dass New Orleans das Worst-Case-Szenario unter den mehr als 30 US-Diözesen und Ordensgemeinschaften ist, die seit 2004 Insolvenz beantragt haben. Das dortige Verfahren werde auffällig zum Nachteil der Opfer und ihrer Anwälte gestaltet.
Im Vorteil
Das Konkursrecht sei ohnehin nicht im Sinne der Betroffenen von sexualisierter Gewalt, kritisiert Marci Hamilton, Chefin der Kinderschutzorganisation Child USA. Denn zynischerweise schütze Chapter 11 die Institutionen, die Kindesmissbrauch vertuscht hätten. Hinzu komme, dass die Kirche als gemeinnützige Organisation im Gegensatz zu kommerziellen Schuldnern beträchtliche Vorteile genieße.
Dass man bei der Missbrauchsaufarbeitung dennoch transparent vorgehen kann, zeigt das Beispiel der Erzdiözese Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico. Obwohl dort ebenfalls ein Konkursverfahren in die Wege geleitet wurde, sind alle einschlägigen Akten öffentlich zugänglich. Nach langen Verhandlungen mit rund 400 Betroffenen einigte man sich schließlich auf Entschädigungszahlungen in Höhe von mehr als 120 Millionen Dollar.