missio Aachen verurteilt Koranverbrennungen

"Das Vertrauen bröckelt, Christen fühlen sich unsicher"

Mehrfach gab es in den vergangenen Wochen in Skandinavien Koranverbrennungen. missio Aachen verurteilt das und fordert Institutionen und Politik auf, sich davon zu distanzieren. Diese Verbrennungen schadeten Christen weltweit.

Koran in einer Moschee / © Saida Shigapova (shutterstock)
Koran in einer Moschee / © Saida Shigapova ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie schätzen Sie die Verbrennungen ein?

Katja Voges / © Christian Schnaubelt (missio)
Katja Voges / © Christian Schnaubelt ( missio )

Dr. Katja Voges (Referentin für Menschenrechte und Religionsfreiheit bei missio Aachen): Die Koranverbrennungen sind insofern schwierig zu bewerten, weil wir in europäischen Ländern natürlich eine sehr weite Auslegung der Meinungsfreiheit haben. Das ist in vielen Fällen auch gut, weil wissenschaftliche Nachfragen und auch Kritik an Religionen wichtig sind und unbedingt möglich sein müssen. Aber diese Koranverbrennungen gehen einen Schritt weiter und bedeuten, dass in vielen Ländern und auf vielen Ebenen viel Hass geschürt wird.

Dadurch, dass mit der Koranverbrennung das Wort Gottes aus muslimischer Perspektive direkt verbrannt wird, wird für sie Gott auch direkt angegriffen. Und deswegen, selbst wenn in Deutschland und europäischen Ländern die Tat nicht strafrechtlich, also aus juristischer Perspektive, nicht zu verbieten ist, haben wir es hier mit einer schwierigen Sachlage zu tun.

Katja Voges

"Weltweit, also nicht nur in den europäischen Ländern, haben diese Aktionen zu Gewaltausbrüchen geführt."

DOMRADIO.DE: Welche Reaktionen wurden dadurch denn ausgelöst?

Der Demonstrant Salwan Momika vor der irakischen Botschaft in Stockholm / © Oscar Olsson (dpa)
Der Demonstrant Salwan Momika vor der irakischen Botschaft in Stockholm / © Oscar Olsson ( dpa )

Voges: Weltweit, also nicht nur in den europäischen Ländern, haben diese Aktionen zu Gewaltausbrüchen geführt. Damit ist zu rechnen, wenn man solch eine Verbrennung vornimmt. Das ist auch so schwer verständlich, weil die Leute, die da den Koran verbrennen, sich häufig als Verteidiger des Christentums inszenieren und dann rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Strömungen angehören.

Da fragt man sich, ob die auf dem Schirm haben, was sie damit anrichten. Wahrscheinlich wissen sie das schon, aber offenbar berücksichtigen sie nicht, welche Gefahren dadurch entstehen und was das für die Christen weltweit bedeutet. Zusätzlich gibt es durch diese Menschen ja auch noch diplomatische Verwerfungen in verschiedenen Ländern.

DOMRADIO.DE: Wo verschärft sich die Situation für Christen besonders stark und was bedeutet das für die Christen vor Ort?

Katja Voges

"So eine Situation führt dazu, dass neue Spannungen entstehen."

Voges: Wir von missio sind natürlich in direktem Austausch mit unseren Partnerinnen und Partnern in verschiedenen Ländern der Welt. In vielen Ländern ist gerade der christlich-muslimische Dialog nicht nur besonders wichtig, sondern sogar lebensnotwendig.

In Bagdad, der Hauptstadt vom Irak, gab es Ausschreitungen in Folge dieser Verbrennungen. Dort gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten eine unheimlich schwierige Situation der Verfolgung von Christinnen und Christen. Und die hatte sich stabilisiert. Die Partnerinnen und Partner erzählen, dass sie in gutem Kontakt und in gutem Dialog mit ihren muslimischen Mitmenschen sind und sie sind auch gut angesehen im Land.

So eine Situation führt dazu, dass neue Spannungen entstehen. Dass das Vertrauen, was mühsam wieder aufgebaut wurde, wieder bröckelt, dass die Christen sich unsicher fühlen, weil sie in die Verantwortung genommen werden für das, was in europäischen Ländern passiert ist.

Das ist eine Katastrophe, weil die Christen gerade im Irak dafür kämpfen, dass die jungen Leute und weitere aus den christlichen Gemeinschaften nicht auswandern, so wie es in den letzten Jahren geschehen ist. Die Zahl der Christen ist eh schon von geschätzt 1,5 Millionen auf 200.000 geschrumpft. Und diese Verbrennungen säen dort im Augenblick Hass und Misstrauen.

DOMRADIO.DE: Wie kann man versuchen, diese Situation wieder zu verbessern?

Katja Voges

"Das ist als ein einen Angriff auf den muslimischen Glauben weltweit zu verurteilen."

Voges: Was auf jeden Fall nötig ist, ist eine breite Reaktion von Politik, Medien und Religionsgemeinschaften in Europa, aber auch in anderen Ländern dieser Welt. Die müssen diese Koranverbrennungen verurteilen. Das muss ganz deutlich geschehen, um zu zeigen, dass die nicht mit dem übereinstimmen, was wir im interreligiösen Austausch für wichtig halten. Das ist als ein einen Angriff auf den muslimischen Glauben weltweit zu verurteilen. Man muss deutlich machen, dass Christen und Muslime, Angehörige anderer Religionsgemeinschaften und sogar Nichtgläubige an einem Strang ziehen.

Das ist eine Grundlage, um im Dialog zu bleiben. Dann sind natürlich auch die Gewalt und die Ausschreitungen zu verurteilen, die jetzt durch diese Verbrennung entstehen. Das ist natürlich auch nicht in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Aber es war klar, dass es dazu kommt. Diesen Dialog jetzt zu suchen und auf allen Ebenen zu fördern. Das ist essenziell.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Das Hilfswerk missio

Das Internationale Katholische Missionswerk missio mit Sitz in Aachen und München ist eines von weltweit mehr als 100 Päpstlichen Missionswerken. Missio München ist das Missionswerk der bayerischen, missio Aachen das der anderen deutschen Bistümer. Das Wort missio kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Sendung.

 (KNA)
Quelle:
DR