DOMRADIO.DE: Indonesien ist der Bevölkerung nach das größte muslimische Land der Erde. Wie leben Christen in Indonesien?
Frank Kraus (Leiter der Auslandsabteilung des katholischen Hilfswerks missio): Das ist ganz unterschiedlich. Indonesien besteht aus sehr vielen Inseln. Darunter sind Inseln, die stark christlich sind, wie zum Beispiel Flores oder auch Teile der Insel Nias. Außerdem gibt es die sehr große Insel Java, wo über die Hälfte der Bevölkerung Indonesiens wohnt und wo das Zentrum des Landes liegt. Dort ist es religiös sehr durchmischt.
Allerdings gibt es auch Regionen in Indonesien, wo überhaupt keine Christen leben. Da, wo die Christen in großer Zahl leben, leben sie relativ frei. In den anderen Regionen werden sie nicht wahrgenommen, weil sie zu klein sind.
DOMRADIO.DE: Der Islam in Indonesien gilt als gemäßigt. Der Staat erkennt fünf weitere Religionen offiziell an. Wie gestaltet sich das religiöse Miteinander?
Kraus: Dort, wo mehrere Religionen präsent sind, gibt es in der Regel auch einen interreligiösen Dialog. Gerade vonseiten der katholischen Kirche aus, weil diese eigentlich immer in einer Minderheitensituation ist. In Indonesien gibt es aber auch ganze Inseln, die teilweise weit abgelegenen sind, wo keine Christen vorkommen. Dort findet natürlich auch kein interreligiöser Dialog statt.
Auf den höheren bis zur höchsten Ebene gibt es aber eine breite Verständigung, die bis in den Alltag hineinreicht. Wobei wir religionsübergreifend feststellen müssen, dass es im Zentrum Indonesiens leider ein paar radikalere Kräfte gibt, die einen interreligiösen Dialog ablehnen und auf einen stärker islamisch ausgerichteten Staat bis hin zu einem islamischen Staat gehen.
DOMRADIO.DE: Dazu passt, dass 2026 eine Verschärfung des Anti-Blasphemie-Gesetzes in Kraft tritt. Es kommt unter dem aktuellen Gesetz bereits regelmäßig zu Verurteilungen wegen angeblicher Gotteslästerung. Was spielt das für eine Rolle für die Christen?
Kraus: Es macht sich Angst breit. Ich würde jetzt noch nicht von einer großen Panik reden, aber von Angst. Man agiert etwas vorsichtiger, äußert sich vorsichtiger. So etwas nimmt zu.
Vor über zehn Jahren nahm das Vorgehen seinen Anfang. Damals wurde immer stärker gegen neuere Konfessionen vorgegangen, speziell gegen neuere kleine protestantische Kirchen. Es wurden alle Rechtstricks angewendet, die vorher keine Rolle spielten. Seitdem greift dieses Vorgehen immer mehr um sich. Daher kommt diese gewisse Verunsicherung. Es ist eine Verunsicherung der Menschenrechtslage insgesamt.
Die katholische Kirche engagiert sich auch sehr stark in der Menschenrechtsbewegung. Das sind direkt zwei Konfliktpunkt zwischen katholischer Kirche und indonesischem Staat: Zum einen Minderheitenreligion und zum anderen die Einforderung der allgemeinen Menschenrechte.
DOMRADIO.DE: Was für eine Bedeutung hat in dieser Gemengelage der Besuch von Papst Franziskus?
Kraus: Ich denke, so wie Papst Franziskus bisher gereist ist und er bisher geredet hat, versuchte er genau diesen interreligiösen Dialog zu fördern. Er versucht die Scharfmacher auf allen Seiten in diesem Land wieder zum Dialog, zu einem gemeinsamen Leben und zu gemeinsamen Zielen zu verpflichten.
Der Papst ist dafür mit seiner Umweltenzyklika "Laudato si" und dem Thema der sozialen Gerechtigkeit der Richtige, weil das auch die großen Themen in Indonesien im Angesicht von Abholzungen, Waldbränden und der wachsenden Bedrohung für die kleineren Inseln, demnächst überflutet zu werden, sind.
DOMRADIO.DE: Im Februar wurde in Indonesien ein neuer Präsident gewählt. Prabowo Subianto war ein mächtiger General zu Zeiten der Suharto-Diktatur und ihm werden schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Wird Papst Franziskus ihn treffen?
Kraus: Nach meinen Informationen trifft der Papst den noch im Amt sitzenden Präsidenten Joko Widodo. Aber es wird angenommen, dass er auch versuchen wird, den neuen Präsidenten zu treffen, um sich in seinem Sinne für die Stärkung des alltäglichen Dialoges und der Freiheit der Religion einzusetzen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.