Die Strategie der Loretto Gemeinschaft

Mission mit Marketing

Sie sprechen von Mission, Movement und Ministries. Ihre Vision: Menschen in die "Schönheit und Freiheit" Gottes zu führen. Die Loretto Gemeinschaft will Jesus-Nachfolge hip machen. In deren Salzburger HOME Base wird Jüngerschaft als Lifestyle gepriesen.

Autor/in:
Annika Schmitz und Christoph Renzikowski
"Come holy spirit"-Bändchen / © Hannah Küppers (privat)
"Come holy spirit"-Bändchen / © Hannah Küppers ( privat )

"Wir haben als Christen die beste Botschaft überhaupt, woran es jedoch immer wieder hakt, ist die Vermarktung", sagt Christian Berghammer. Der Salzburger Pastoralassistent ist von seinem Arbeitgeber freigestellt für die Loretto Gemeinschaft - und damit nicht der einzige.

Die Organisation wurde 1987 von dem aus einer Industriellenfamilie stammenden Georg Mayr-Melnhof in Österreich gegründet und ist seit 2017 von der dortigen Bischofskonferenz als "private kirchliche Vereinigung" anerkannt.

Inzwischen haben die Lorettos einen festen Platz in der kirchlichen Landschaft Österreichs. So hat sich ihre 2015 gegründete Salzburger HOME Base in den letzten Jahren stetig vergrößert. Mittlerweile gehören unter anderem die Dombuchhandlung, ein Restaurant und eine eigene Medienakademie dazu.

Erinnert an US-Freikirchen

Junge Menschen können aus einer Vielzahl an Formaten wählen, um zu Jüngern Jesu zu werden - die reichen von Kompakt- und Fernkursen bis zu einer neunmonatigen Schulung, die für 700 Euro im Monat auch das Wohnen im Haus einschließt. In Passau eröffnet gerade der erste Loretto-Ableger in Deutschland.

Wer dort als Referent auftritt, muss nicht zwangsläufig Theologie studiert, sondern vor allem eine persönliche Glaubenserfahrung mit Jesus empfunden haben - das erinnert an US-amerikanische Freikirchen.

Wie auch sonst vieles am Habitus der Loretto Gemeinschaft. Ihre Ansichten sind dagegen katholisch-konservativ geprägt. Insbesondere Sexualität ist ein großes Thema. Sex vor und außerhalb der Ehe wird konsequent abgelehnt, wie es der offiziellen katholischen Lehre entspricht.

Wissenschaft übt Kritik

Kritik an der Gemeinschaft kommt vor allem aus der Wissenschaft. Zwischen der subjektiv erlebten Jesus-Begegnung und ihrer Standardisierung in der Gruppe tue sich ein Zwiespalt auf, sagt etwa die Religionswissenschaftlerin Anne Koch: "Man liest gemeinsam die Bibel und kommt gemeinsam zu denselben traditionellen Ergebnissen: keine Homosexualität, keine Sexualität vor der Ehe, Monogamie, Familie dient dem Großziehen von Kindern. Das ist nicht mehr subjektiv, da kann niemand mehr sagen, in meiner Bekehrung hat Jesus mir gesagt, ich darf homosexuell sein", sagte die Universitätsprofessorin 2019 in einem Interview der "Salzburger Nachrichten".

Doch das Modell der Loretto Gemeinschaft kommt vielfach an. Grund dafür dürfte auch die Art der Darstellung, die Vermarktung sein. Koch spricht von einem "Vintage-Katholizismus", der unterstützt durch Social Media und popkulturelle Elemente für die heutige Jugend die religiösen Praktiken ihrer Großeltern "sexy" machen soll. Dabei erzeugten perfekt inszenierte sinnliche Erlebnisse einen emotionalen Sog, dem man sich kaum entziehen könne. Attraktiv sei dieses Konzept, weil es eine "Sehnsucht nach Sicherheit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit" bediene, "nach Dingen, die einfach wahr sind". 

So verwundert es nicht, dass der Leiter der HOME Base, der Salzburger Unternehmer Patrick Knittelfelder, das größte Problem der heutigen Kirche als "Unglaube" identifiziert. Auch auf anderen Feldern arbeitet er ambitioniert. Knittelfelder leitet nach eigenen Aussagen 15 Unternehmen. Als einer der beiden Geschäftsführer lebt er in der HOME Base mit seiner Familie.

Zu seinen Firmen gehören vier Hotels und vier Gaststätten, teils in exponierter Innenstadtlage. Seine Pflegeserie "Augenstern", deren Mitgründerin Lisa Perwein ebenfalls für Loretto arbeitet, verspricht mehr Ausstrahlung. Und die "Knittelfelder Essentials"-Präparate haben ihrem Namensgeber angeblich selbst die Schlafstörungen genommen. In seinem Vorstellungsvideo auf der Website der Salzburger HOME Base gibt Knittelfelder an, dass er heute zwei 40-Stunden-Jobs in einer Woche erledigen könne.

Allein aus Spenden finanziert

Die Loretto Gemeinschaft finanziert sich laut eigener Darstellung allein aus Spenden. Ihren 700 Mitgliedern empfiehlt das Statut, fünf Prozent des Nettoeinkommens an die Gemeinschaft abzugeben. Deren Angestellte wiederum müssen für ihre Bezahlung selbst sorgen - über ein sogenanntes Partnermodell.

Schon vor Abschluss eines Arbeitsvertrags sollen sie sich dafür einen festen Kreis an Spendern aufbauen, vorzugsweise beginnend im Familien- und Freundeskreis. Wie man das schafft, vermittelt Loretto durch Coachings. Bei Engpässen springt die Gemeinschaft ein. Bleiben Partner aber längerfristig aus, wird das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

Mit diesem System sei "fast unbeschränktes Wachstum für unseren Dienst als kirchliche Gemeinschaft" möglich, schwärmt der Salzburger Loretto-Regionalleiter Berghammer.

Aus ihrem Expansionsziel machen die Lorettos keinen Hehl. Im Internet lassen sich von der Gemeinschaft trainierte Preacher für Veranstaltungen buchen - neben Jüngerschaft und Nachfolge geht es dabei auch um Leadership und Identitätsbildung. Es sind sensible Themen, die hier behandelt werden. Zur Vorbeugung von Missbrauch setzt Loretto außer einer Fülle in- und externer Ansprechpersonen auch auf Gebetsschutz, wie aus ihrer Präventionsbroschüre hervorgeht.

Und eine Checkliste zur regelmäßigen Selbstreflexion fragt zu Beginn: "Bin ich versöhnt mit Gott oder lebe ich mit einer schweren Sünde?"

"Fluch und Segen"

Der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander spricht im Zusammenhang mit der Gemeinschaft von "Fluch und Segen". Loretto stehe einerseits für Aufbruch in einer katholischen Welt, "die dem Untergang geweiht zu sein scheint". Um Segen sein zu können, müsse sie aber einen potenziellen "Fluch" überwinden. Wie bei vielen anderen geistlichen Gemeinschaften bestehe die Gefahr sexueller und spiritueller Übergriffe, Mitglieder drohten als billige Arbeitskräfte ausgebeutet zu werden. Das sei für viele solcher Gemeinschaften in Frankreich inzwischen belegt. Sander vergisst aber auch nicht zu erwähnen, dass es bei Loretto keinerlei Hinweise in diese Richtung gebe.

An der theologischen Fakultät der Salzburger Uni wird derweil ein neuer Bachelor-Studiengang projektiert, der sich nicht nur, aber auch an die Absolventen von Jüngerschaftsschulen wie der von Loretto wendet. Er heißt "Christliche Kultur, Transformation und Kommunikation". Ab Oktober 2022 sollen den Studierenden neben einer theologischen Grundausbildung Kompetenzen in den Bereichen Management, Marketing und Medien vermittelt werden.

Die benötigten Drittmittel steuert das Erzbistum Salzburg bei, dessen Finanzdirektor Cornelius Inama lange Zeit bei der Loretto Gemeinschaft aktiv war. So hielt er 2018 mit seiner Frau einen Vortrag im örtlichen Gebetskreis zum Thema Partnerwahl: "Bin ich eine gute Partie?" Wie man die Richtige findet, verriet Inama wenige Monate später den "Salzburger Nachrichten": "Wir haben uns auf einer Wallfahrt nach Medjugorje kennengelernt. Und ich habe ihr schon nach drei Tagen einen Heiratsantrag gemacht, weil ich gewusst habe: Das passt."


Quelle:
KNA