Franz-Josef Overbeck seit zehn Jahren Bischof von Essen

"Mit Blick auf die Zölibatspflicht bin ich sehr besorgt"

Im Bistum Essen wird an diesem Freitag ein Jubiläum gefeiert. Bischof Franz-Josef Overbeck steht seit zehn Jahren dem Ruhrbistum vor. Im Rück- und Ausblick spricht er über Ämtervielfalt, Militärseelsorge und seine Gedanken zum Zölibat.

Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen / © Lars Berg (KNA)
Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen / © Lars Berg ( KNA )

DOMRADIO.DE: Heute ist ein besonderer Tag. Genau vor zehn Jahren, am 20. Dezember 2009 sind Sie Bischof des Bistums Essen geworden. Was bedeutet Ihnen das Jubiläum?

Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck (Bischof von Essen): Das ist ein ganzes Jahrzehnt, und das passt genau. Dabei waren viele schwierige Jahre, da sie mit dem Aufdecken des Missbrauchsskandals verbunden waren, mit der Aufarbeitung und all den damit einhergehenden Fragen. Zugleich war es eine ganz lebendige Zeit des Aufbruchs in unserem Bistum. Dieser ging einher mit einem Zukunftsbildprozess mit vielen Wegen, die wir partizipativ gegangen sind, um in einer wirklich nicht leichten Zeit, in denen sich das religiöse Leben der Menschen so sehr ändert, gute Wege für unser Bistum, aber auch ökumenisch und darüber hinaus zu finden.

DOMRADIO.DE: Sie haben auch mit der Zeit immer mehr Aufgaben dazu bekommen. Sie sind zuständig für das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat, inzwischen auch Militärbischof und Sozialbischof der Deutschen Bischofskonferenz und auch stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Bischofskommission COMECE. Wie kriegen Sie all diese Aufgaben gestemmt?

Overbeck: Auf der einen Seite mit viel Lebendigkeit und gutem Willen, weil es mir Freude macht. Auf der anderen Seite, weil es viele Menschen gibt, die mich unterstützen. Und schließlich auch, das gebe ich zu, mit ganz viel Arbeit und ganz viel Disziplin und Treue.

DOMRADIO.DE: Es hat ja allein während der letzten zehn Jahre große Veränderungen gegeben. Die Kirche macht sich gerade daran, sich vielleicht nicht ganz neu zu erfinden, aber doch eine neue Richtung einzuschlagen. Hätten Sie sich das vor zehn Jahren träumen lassen?

Overbeck: In dieser Art und Weise, wie es geschehen ist, hätte ich mir das nicht träumen lassen. Ich weiß aber, dass ich damals bei meiner Einführungspredigt gesagt habe – das war mein Schlusssatz: Hören wir nie auf, anzufangen! Und das ist in der Tat wahr geworden und ist wohl so etwas wie ein Motto meiner bischöflichen Zeit. Wir hören nie auf anzufangen – und ich auch nicht.

DOMRADIO.DE: Sie gelten als einer der Reformer in der katholischen Kirche. Vor Kurzem haben Sie infrage gestellt, dass ausgeschlossen wäre, Frauen in der katholischen Kirche einmal zu weihen. Wie viel Energie braucht es, um die eigenen Positionen zu vertreten?

Overbeck: Es braucht immer viel Energie, die eigenen Positionen zu überprüfen, ob sie noch stichhaltig sind oder ob sie sich wandeln. Im Blick auf ihre Frage hat sich das angesichts der vielen Wirklichkeiten, in denen wir heute hier in der Kirche stehen, für mich entwickelt. Zu berücksichtigen ist dabei auch die Weiterentwicklung der vielen Fragen im Blick auf die Bedeutung von Ämtern und Diensten für Frauen – angesichts auch von Demokratie und Gleichberechtigungsprozessen, die früher unvorstellbar waren.

Hinzu kommt für mich auch noch die Frage, und die ist die Wichtigste für uns, wie weit die theologische Bedeutung dessen, was wir bisher als Begründung angegeben haben für die eine oder andere Entscheidung, wirklich greift und reicht oder auch nicht. Man kann sehen, dass das eine Frage ist, die viele Leute beschäftigt. Einige sind mittlerweile sehr ungeduldig und wollen gar nicht mehr akzeptieren, was wir sagen. Das macht mich erst recht unruhig, und darum gilt auch hier mein Wort: Hören wir nie auf anzufangen, nämlich neu zu fragen und neu zu suchen.

DOMRADIO.DE: Auch im Hinblick auf die Zölibatspflicht?

Overbeck: Mit Blick auf die Zölibatspflicht bin ich sehr besorgt. Wir werden in ganz wenigen Jahren so wenige Priester haben, dass wir kaum noch davon sprechen können, wirklich vor Ort auch katholisch präsent zu sein, wenn es so wird, wie es zu werden scheint. Und so muss ich auch fragen: Ist das der einzige Weg, wie Priester leben können – nämlich im Zölibat, den ich als Weg nicht nur für mich, sondern auch für viele andere wertschätze und weiß, dass er seit Beginn der Kirche an viele gute Früchte getragen hat, aber auch seine Grenzen zeigt. Darum sind auch hier genau dieselben Dinge wieder zu befragen: Wie schon gesagt, hören wir nie auf, anzufangen.

DOMRADIO.DE: Auch außerhalb der katholischen Kirche hat sich gerade was in Sachen Seelsorge getan. Gerade gestern hat das Bundeskabinett beschlossen, dass in Zukunft auch jüdische Militärseelsorger zum Einsatz kommen sollen. Eigentlich wundert sich der Laie, dass es die noch gar nicht gibt. Sie als Militärbischof auch?

Overbeck: Zur Geschichte der Bundeswehr gehört seit Anfang an eine katholische und evangelische Militärseelsorge, die wir seit jetzt über 60 Jahren in großer ökumenischer Gemeinsamkeit auch verantworten. Seit kürzerer Zeit stellt sich auch die Frage, wie das mit anderen Glaubens- und Religionsgemeinschaften ist. Diese Fragen sind natürlich im Sinne der Religionsfreiheit entsprechend zu beantworten.

Und so war es für mich und uns in der katholischen Militärseelsorge völlig selbstverständlich, zu sagen: Natürlich unterstützen wir die Anfragen der Juden, dass auch ihre Soldatinnen und Soldaten, die jüdischen Glaubens sind, entsprechend eine Unterstützung und Begleitung erfahren. Das ist heute mit einem solchen Vertrag auf den Weg gebracht worden. Es kommen jetzt noch die nächsten Schritte, die mit dem Bundestag zusammenhängen. Dann werden wir sie ganz herzlich begrüßen. Und ich wünsche schon heute all den Militärrabbinern, die mit uns diesen Dienst tun, ganz viel Segen.

DOMRADIO.DE: Wie blicken Sie auf die kommenden zehn Jahre, haben Sie einen persönlichen Wunsch?

Overbeck: Ich wünsche, dass wir, unterstützt von Gottes gutem Geist, vieles gemeinsam tun. Dass wir in den schwierigen Zeiten auch in der Kirche und mit vielen gesellschaftlichen Gruppen lernen, immer wieder konstruktiv Konflikte auszutragen und uns dabei bewusst sind: Nur gemeinsam sind wir stark und bleiben es.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR
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