William Law zieht mit dem Erzengel Michael in den Kampf für Demokratie. Auf Laws T-Shirt steht neben einem Bild des Michael, der in glänzender Rüstung einen braunen Teufel in den Staub tritt: "St. Michael, der Erzengel, unser Verteidiger und Beschützer gegen das Böse". Das T-Shirt von Law ist schwarz, so wie die T-Shirts der anderen mehr als zwei Millionen Demonstranten am Sonntag in Hongkong.
Zusammen mit seiner Ehefrau ist der 42-jährige Law zu der katholischen Andacht mit Gebeten und Halleluja vor dem offiziellen Beginn der Kundgebung der "Civil Human Rights Front" im Victoria Park gekommen. "Wir beten für unsere Stadt und für Liebe statt Konfrontation", sagt Law mit ruhiger Stimme.
Einige Hundert Katholiken nehmen an der Andacht teil. Unter ihnen ist Kardinal Joseph Zen, der für seine unnachgiebige Kritik an China als auch der Chinapolitik des Vatikan bekannt ist. Zen, der gewöhnlich kein Blatt vor den Mund nimmt, lehnt ein kurzes Interview während der Andacht ab. Dass der emeritierte Kardinal aber bei der Demonstration ist, ist keine Überraschung. Es gebe angesichts der Politik Chinas keine andere Wahl, als zu protestieren, sagte Zen kürzlich internationalen Medien.
Gesetzentwurf für die Katholiken
Seit elf Wochen gibt es Massenproteste für Freiheit und Demokratie in Hongkong. Auslöser war der Gesetzentwurf über die Auslieferung von Straftätern an die Volksrepublik China. Inzwischen fordern die Demonstranten jedoch eine Zurückdrängung des politischen Einflusses von China auf Hongkong, ein allgemeines Wahlrecht und eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt gegen Demonstranten. China droht mit der Niederschlagung der Proteste mit "eiserner Faust".
Medien berichten von Truppenkonzentrationen an der Grenze Chinas zu Hongkong. Was der inzwischen von Hongkongs katholischer Regierungschefin Carrie Lam für "tot" erklärte, aber nicht von der Tagesordnung des Parlaments zurückgezogene Gesetzentwurf für die Katholiken bedeuten könnte, erklärt Edwin Chow.
Verbindungen zur katholischen Untergrundkirche
"In China wird die Kirche unterdrückt. Das könnte hier auch passieren", sagt der Vorsitzende der katholischen Studentenvereinigung von Hongkong. Christen stellen nur rund 11 Prozent der 7,4 Millionen Einwohner. "Manche von uns haben Verbindungen zur katholischen Untergrundkirche in China. Die könnten festgenommen und ausgeliefert werden." Carrie Lam hat unter Hongkongs Katholiken keine großen Sympathien. Sie war 2017 mit dem Segen der kommunistischen Führung in Peking von 777 der 1.200 Mitglieder des Wahlgremiums in die Topposition Hongkongs gewählt worden. "Niemand kann zwei Herren dienen", sagte seinerzeit der katholische Rechtsanwalt und Politiker Andrew Cheng Kar-Foo dem us-amerikanischen Magazin "America: The Jesuit Review".
"Wer sein Mandat von der Kommunistischen Partei Chinas erhält, weiß, dass es seine Aufgabe ist, der Kommunistischen Partei zu dienen." Zusätzlich verscherzte es sich Lam mit ihren Glaubensgenossen nicht nur mit ihrer Erklärung, sie sei von Gott zur Regierungschefin berufen worden, sondern auch mit ihrem inzwischen gescheiterten Plan, die Religionen Hongkongs nach chinesischem Vorbild einer Religionsbehörde zu unterstellen.
Diffamierung als "Terroristen"
Die Katholiken im Victoria Park waren Teil der geschätzten mehr als zwei Millionen Demonstranten, die heftigen Regenfällen, der Diffamierung als "Terroristen" durch Chinas Regierung und den chinesischen Drohungen trotzten. Sie setzten sich auch über das Verbot der Polizei hinweg, den Victoria Park zu verlassen.
Hunderttausende zogen unter ihren Regenschirmen bis in die späten Abendstunden zur etwa vier Kilometer entfernten Admiralty, dem Regierungsviertel. Um 21.15 Uhr (Ortszeit) erklärten die Veranstalter die Demonstration offiziell für beendet. Von keiner Seite war es bis dahin zur Gewalt gekommen. Laws Vertrauen auf den Erzengel Michael hat offenbar Wirkung gezeigt.