Mit einer Äußerung in einer Predigt hat der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer für Aufmerksamkeit und Aufregung gesorgt. "Viele sehen heute die Gefahr einer drohenden Islamisierung Mitteleuropas, nicht durch kriegerische Eroberung und Besatzung, sondern durch Asylgewährung und Fruchtbarkeit. Sie wissen wahrscheinlich, dass ich diese Befürchtungen nicht für ganz unberechtigt oder gar für krankhafte Hirngespinste halte", sagte er beim Gottesdienst während der 85. Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben in Altötting am 8. Juli.
Voderholzer betonte, der Islam sei von seinem theologischen Wesen her der Widerspruch zum Christentum, "und von daher ist kulturell allenfalls ein Nebeneinander möglich". Allerdings müsse "der Westen nicht in erster Linie Angst haben vor der Bedrohung von außen, sondern von innen, vor der eigenen Glaubensschwäche und vor der eigenen Unlust an der Zukunft, die sich auch ausdrückt in einer Unlust an Nachkommenschaft, was von vielen Menschen in den anderen Kontinenten ja nur als eine Einladung verstanden werden kann, zu uns zu kommen und die Lücken zu schließen." In den sozialen Medien fand Voderholzer Zustimmung, aber ebenso Kritik.
Über das Verhältnis zwischen Christentum und Islam sprach DOMRADIO.DE mit Prof. Thomas Lemmen, zuständig für den Interreligiösen Dialog im Erzbistum Köln.
DOMRADIO.DE: Im 19. Jahrhundert verurteilte die katholische Kirche noch die Idee der Religionsfreiheit – seit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils vor rund 50 Jahren sieht das anders aus. Wie steht sie zu anderen Religionen?
Prof. Thomas Lemmen (Interreligiöser Dialog im Erzbistum Köln): Das Zweite Vatikanische Konzil mahnt uns, bei der Betrachtung anderer Religionen nicht zuerst und nur das zu sehen, was uns voneinander unterscheidet, sondern vor allem das in den Blick zu nehmen, was uns verbindet. Und mit Blick auf den Islam sagt das Konzil, dass Muslime mit uns den einen Gott anbeten - was für das Judentum genauso gilt. Das heißt, in der Betrachtung des Islams steht – so in den Worten des Konzils – erst mal im Mittelpunkt, was uns verbindet. Und das ist die Ausrichtung auf Gott.
DOMRADIO.DE: Wo sind denn aus Ihrer Sicht die theologischen Grenzen des Dialogs?
Lemmen: Die Unterschiede fangen da an, wenn man genauer nachfragt, wie wir Gott verstehen. Und da benennt das Konzil in der Erklärung "Nostra Aetate" einen wesentlichen Unterschied, der darin besteht, dass Muslime zwar Jesus als Propheten anerkennen, in ihm aber nicht Gottes Sohn oder Gottes Wort sehen. Das ist auch wieder ein Punkt, den man jetzt im Gespräch mit Juden genauso feststellen könnte: Die Frage, wie wir Gott sehen, und dass er in Jesus Christus sichtbar geworden ist. Die Antwort auf diese Frage unterscheidet uns dann wieder.
DOMRADIO.DE: Mittlerweile haben Päpste wie Benedikt oder Franziskus Moscheen besucht und muslimische Gelehrte haben den Vatikan besucht. Wie haben sich die Beziehungen zwischen Muslimen und Christen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Lemmen: Man muss sagen, dass der Text des Zweiten Vatikanischen Konzils, der von den Muslimen handelt, mit den entscheidenden Worten beginnt: "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime." Und das ist eine ganz entscheidende Wende in der Haltung gegenüber dem Islam und gegenüber anderen Religionen. Und diese Signale sind bei den Vertretern und den Menschen anderer Religionen angekommen. Da ist längst eine Gegenseitigkeit in der respektvollen Wahrnehmung des anderen entstanden.
DOMRADIO.DE: Bischof Voderholzer hat auch über das Miteinander der Religionen gesprochen. Wie sieht denn die katholische Kirche das konkrete Miteinander von Katholiken und Muslimen?
Lemmen: Auch da hilft ein Blick in die Konzilsdokumente. Und am Ende des Dokuments Nostra Aetate, dass das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen behandelt, ruft die Kirche beide - Muslime und Christen - dazu auf, das Vergangene beiseite zu lassen und sich gemeinsam für die Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft einzusetzen. Das heißt, jenseits aller theologischen Debatten steht ein Aufruf zu einer gemeinsamen Weltverantwortung. Und da bewährt sich auch im Grunde das, was Kern der Religionen ist: Dass man anfängt, gemeinsam Dinge zu verantworten und zu gestalten. Das ist das Entscheidende.
DOMRADIO.DE: Sobald ein Bischof oder ein sonstiger Vertreter über den Islam spricht, gibt es meist sehr emotionale Reaktionen von rechts wie von links. Zu dem Thema gar nichts zu sagen, ist aber auch keine Lösung. Gibt es so etwas wie einen Königsweg bei den Themen Islam und Islamisierung?
Lemmen: Papst Benedikt XVI. hat vor 13 Jahren, als er in Köln zu Besuch war und dabei dann Vertreter des Islams getroffen hat, gesagt, die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils seien für uns die Magna Carta des Dialogs mit den Muslimen. Benedikt hat klar gesagt, das sei die Grundlage, auf der wir stehen. Und diese Grundlage bietet auch 50 Jahre nach dem Konzil immer noch genug Möglichkeiten, das in die Tat umzusetzen und sich auf das zu besinnen, was das Konzil damals richtungsweisend gesagt hat.
Das Interview führte Dagmar Peters.