Die Kniebeuge beim Betreten einer katholischen Kirche ist Martin Mosebach eine selbstverständliche Geste, auch die Verneigung, wenn er am Tabernakel vorübergeht. Den Ehrerweis vor dem Allerheiligsten vollzieht er mit der gleichen Natürlichkeit, mit der er seinen Tweed-Anzug trägt. Mosebach ist Katholik mit Überzeugung – doch wenn man ihn in Rom, der Hauptstadt des Katholizismus, nach seiner Lieblingskirche fragt, führt er einen nicht etwa zum Petersdom, sondern nach Santissima Trinita dei Pellegrini.
Zu Sankt Peter hat der Schriftsteller ein gespanntes Verhältnis. Mosebach, der Büchner-Preisträger, der das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Liturgiereform der "Häresie der Formlosigkeit" schalt – er verzeiht Papst Julius II. nicht, dass er die alte konstantinische Petersbasilika niederreißen ließ, um sich ein eigenes Monument zu errichten.
Alter Modernismus
Widerwillen empfindet er für den Neubau, der ein Neubau bleibt, auch nach 500 Jahren. "Kaltschnäuzige, respektlose Gegenwartsbezogenheit" wirft Mosebach dem Rovere-Papst vor. Hier ist das Grab des Petrus, Gedenkstätte der Schlüsselfigur des Christentums; und mit einem solchen Ort spielt man nicht.
Rom ist das wuchernde, das aus Wiederverwertetem weitergebaute, das Ewige Rom, das "sich aus den Trümmern rekomponiert", sagt Mosebach.
Lebendige Widersprüche
Kunstgeschichtliche Bereinigungen wie in San Giovanni a Porta Latina, wo man vor einem Dreivierteljahrhundert den mittelalterlichen Bau mit seinen wunderbaren Fresken von barocken Zutaten befreite, folgen aus seiner Sicht einem falschen Puritanismus.
Denn die Reduktion auf einen "sogenannten Originalzustand" entspricht für ihn einem zwanghaften Willen zur Eindeutigkeit in der Theologie; das aber ist das Merkmal des Sektierers. "Die Kirche lebt von unaufgebbaren Widersprüchen", sagt Mosebach. Doch an welchem Punkt wird das Gewachsene, über Jahrhunderte Ergänzte und Geflickte kanonisch, unantastbar wie die von Mosebach so geliebte Tridentinische Messe, die ja auch nicht aus einem Guss ist – und wann ist das Umformen des Ererbten ein Frevel?
"Weißer Würfel"
Mosebach beteuert, er störe sich nicht an echter Naivität, aber er verurteilt den "Einbruch des Geschmacklosen, der Gefühligkeit". Die Grenze ist in Rom oft schwer zu ziehen. Gian Lorenzo Berninis großartiger Skulptur der Seligen Lodovica in der Kirche San Francesco a Ripa hat die Volksfrömmigkeit einen Pater Pio aus Kunstharz beigesellt. Das mag ebenso naiv sein, wie es geschmacklos ist.
Die Sakramentskapelle in San Luigi dei Francesi nahe dem Pantheon beschreibt Mosebach als "weißen Würfel" mit Wandtresor und "asiatischen Gebetsschemeln". So etwas nennt er "nicht unschuldig".
Das graue Rom
Aber Santissima Trinita zwischen Ponte Sisto und Campo de' Fiori, die Fassade in regenfleckigen, sonnengebleichten Rost- und Ockertönen: Das ist das "verkrustete, schmutzige, graue Rom", das Mosebach als Jugendlicher kennenlernte und noch nach fünf Jahrzehnten liebt. Zufällig oder nicht sitzt hier die Personalpfarrei der traditionalistischen Petrusbruderschaft.
Benedikt XVI. ließ 2007 die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil alleinige Form der Messe wieder in breiterem Umfang zu; im folgenden Jahr bestimmte er Santissima Trinita zu dem Ort, an dem die Freunde der alten Messe ihre geistliche Heimat in Rom finden sollten. So kommt auch Mosebach bei seinen Besuchen am Tiber immer wieder hierher.
Lehrstück des Katholischen
Das Altarbild Guido Renis von 1625, das die Heiligste Dreifaltigkeit darstellt – es ist für Mosebach ein Lehrstück des Katholischen. Da nimmt Gottvater mit ausgebreiteten Armen Christus am Kreuz auf; zwischen beiden schwebt die Taube des Heiligen Geistes. Mosebach weist auf ein Detail hin: Der Leib des Gekreuzigten, weiß wie eine Hostie, trägt keine Wunden.
Das Gemälde, auf das der zelebrierende Priester und die Gläubigen schauen, zeigt, was auf dem Altar geschieht – die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers.
Der Pilger
Santissima Trinita trägt zu Recht den Beinamen "dei Pellegrini", die Kirche "der Pilger". Zu denen, die sie aufsuchen, zählen Ausländer, Priesterseminaristen im Rom-Semster, aber auch "der tätowierte Geselle, der Hipster", Personen, zu denen die moderne Kirche oft den Kontakt verloren hat. Es sind auffällig viele junge Menschen. Für Mosebach ein Beleg, dass Traditionalisten keine Nostalgiker sind, keine "Versammlung der Wehmütigen".
Und doch kennt Mosebach die Wehmut nach den Anfängen, nach dem Ursprünglichen. Gelegentlich besucht er eine der wunderbaren frühchristlichen Basiliken Roms, Santa Maria Maggiore oder Santa Maria in Trastevere. Dorthin, sagt er, gehe er, um sich Alt-Sankt Peter vorzustellen.