Bundesverwaltungsgericht verkündet Urteil über PID-Zugang

Möglicherweise wegweisende Entscheidung

Der Zugang zur Präimplantationsdiagnostik ist in Deutschland streng begrenzt. Am Donnerstag könnte eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Lockerung führen. Bei den Beratungen hat man sich viel Zeit gelassen.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Reagenzgläser im Labor / © Alex Traxel (shutterstock)

Der streng reglementierte Zugang zur Präimplantationsdiagnostik hat im Oktober erstmals das Bundesverwaltungsgericht beschäftigt. Am Ende der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober stellte die Vorsitzende Richterin Renate Philipp fest, dass bei diesem komplexen Thema immer noch nicht alle Fragen geklärt seien. Deshalb nahm sich der Dritte Senat eine ungewöhnlich lange Beratungszeit. An diesem Donnerstag, gut drei Wochen später, will er seine Entscheidung verkünden.

Im Kern geht es um die Maßstäbe, nach denen eine Ethik-Kommission im Sinne des Embryonenschutzgesetzes entscheidet, ob jemand Zugang zu einer Präimplantationsdiagnostik (PID) erhält. Dies ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn etwa ein "hohes Risiko" besteht, eine "schwerwiegende Erbkrankheit" weiterzuvererben. In welchen Fällen aber eine "schwerwiegende Erbkrankheit" vorliegt, ist bislang nur vage formuliert.

Geschädigte Embryonen können verichtet werden

Bei einer PID werden im Reagenzglas befruchtete Eizellen außerhalb des Mutterleibs auf genetische Fehler untersucht. Die Eltern können dann entscheiden, ob geschädigte Embryonen vernichtet werden. Kritiker sehen in der PID eine Bewertung des Lebens nach Gesundheitskriterien und in der Konsequenz eine Selektion.

2011 hatte der Bundestag eine begrenzte Zulassung von PID ermöglicht und dies im Embryonenschutzgesetz verankert. Über den Zugang zu PID-Gentests entscheiden bundesweit fünf spezielle Ethikkommissionen.

Richter entscheiden über Revisionsklage

Die Leipziger Richter entscheiden über die Revisionsklage einer Frau, deren Antrag von der Bayerischen PID-Ethikkommission 2016 abgelehnt wurde. Die im Embryonenschutzgesetz festgeschriebenen Voraussetzungen lägen nicht vor, entschied die Kommission. Für die Nachkommen der Klägerin und ihres Partners bestehe kein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit, wiewohl der voraussichtliche Kindsvater die Muskelkrankheit Myotonen Dystrophie Typ 1 hat und er sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent weitervererbt.

Umfänglich wurde in der Verhandlung die Frage diskutiert, ob es sinnvoll sei, eine "Referenzkrankheit" zu benennen, um Kriterien für eine "schwerwiegende Erbkrankheit" festzulegen. Der Bundesanwalt als Vertreter der Bundes-Interessen erläuterte, der Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, einen entsprechenden Krankheits-Katalog zu formulieren.

Zum einen, um nicht Menschen mit bestimmten Krankheiten zu diskriminieren. Zum anderen wollte er vor allem eines vermeiden: durch eine positive Liste an Erbkrankheiten, bei denen eine PID erlaubt wäre, eine rechtliche Entscheidung über den Wert von Leben zu treffen und damit faktisch eine Selektion. Gleichwohl waren sich alle Beteiligten im Gericht über das Problem einig, dass der Gesetzgeber nicht konkreter formuliert hat, woran genau sich zu orientieren ist.

Ähnliche Konfliktsituation, wie bei Spätabtreibung?

Philipp zufolge hat der Dritte Senat Zweifel an der Ausführung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), der die Klage als Vorinstanz abgelehnt hatte, dass eine "individuelle Unzumutbarkeit" aufgrund der Lebenssituation der Eltern nicht als Kriterium für die Beurteilung zulässig sei.

Die Vorsitzende Richterin erklärte, der VHG habe aber durchaus darauf hingewiesen, dass die Konfliktsituation der Frau bei der Frage nach einer PID ähnlich sein könnte wie bei einer Spätabtreibung, bei der die individuelle Situation berücksichtigt werde. Gleichwohl könne die Schutzbedürftigkeit eines Embryos im Reagenzglas eine andere sein als die eines Embryos im Mutterleib, so Philipp.

Gibt es einen Beurteilungsspielraum?

Die Richter beschäftigte auch die Frage, inwieweit die PID-Ethikkommissionen bei ihren Entscheidungen einen Beurteilungsspielraum haben. In diesem Fall wären die Entscheidungen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Die erste Instanz hatte dies angenommen. Sowohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als auch die Leipziger Richter und der Bundesanwalt zeigten sich aber darin einig, dass kein Beurteilungsspielraum vorliege.

In ihrer mit Spannung erwartete Entscheidung könnten die Bundesverwaltungsrichter den Gesetzgeber auffordern, bei den PID-Zulassungskriterien nachzubessern. Ob und wie das dann tatsächlich umgesetzt würde, bliebe indes offen.


Auswahl von Embryonen für die Präimplantationsdiagnostik / © Waltraud Grubitzsch (dpa)
Auswahl von Embryonen für die Präimplantationsdiagnostik / © Waltraud Grubitzsch ( dpa )
Quelle:
KNA
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