Über die historisch gewachsenen Bedingungen einer Eheschließung sollte nachgedacht werden, fordert der Moraltheologe Martin M. Lintner. Der Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen (Südtirol) sagte dem katholischen Internetportal "kirche-und-leben.de" am Donnerstag, es werde zwar das Wort Jesu überliefert, dass eine Ehe nicht gelöst werden soll, aber "die Bedingungen, unter denen eine Ehe erstens gültig zustande kommt und zweitens als unauflöslich gilt, hat die Kirche im Lauf von vielen Jahrhunderten sukzessive definiert und im Kontext der jeweiligen sozialen Herausforderungen und Rechtsvorstellungen geregelt."
Rahmenbedingungen im Wandel
Lintner sagte weiter: "Müssen wir unbedingt daran festhalten, dass jede Eheschließung zwischen Getauften zugleich auch Sakrament ist?" Es stelle sich die Frage, ob es nicht auch die Möglichkeit geben sollte, Partnerschaften zwischen Getauften kirchlich anzuerkennen, die nicht kirchlich geschlossen sind.
Heute bilde eine lebenslange Partnerschaft eine größere Herausforderung als in früheren Jahrhunderten, weil Menschen älter würden und Scheidungen nicht mehr geächtet seien. Die Ehe sei nicht mehr zur finanziellen Absicherung erforderlich und es gebe anerkannte Alternativen zur klassischen Ehe. "Vielleicht liegt eine Schwierigkeit heute im Verständnis der Liebe", sagte Lintner. Sie werde heute in erster Linie als Gefühl verstanden. Das blende aus, "dass sie auch eine Willensentscheidung für einen Menschen ist, die nicht immer gefühlsmäßig abgedeckt ist und die beständige Beziehungsarbeit erfordert".
Sehnsucht nach gelingender Partnerschaft
Der Theologe schlug vor: "Vielleicht wäre anzudenken, die kirchliche Eheschließung nicht an den Beginn einer Partnerschaft zu stellen, sondern sie bewusst nach einigen Jahren zu begehen, in denen eine Partnerschaft bereits wachsen, reifen und sich bewähren konnte." Es gelte, die Sehnsucht nach einer gelingenden Partnerschaft in Liebe und Treue wahrzunehmen und zu stärken.