Mosbach fordert von Künstlern mehr Solidarität mit Israel

"Gemeinsame Werte gemeinsam verteidigen"

Der Künstler Gerd Mosbach, der die Kardinäle Woelki und Meisner gemalt hat und dessen Bild von Johannes Pauls II. im Vatikan hängt, vermisst politisches Engagement seiner Kollegen. Zu Israel zu stehen, sei demokratische Pflicht.

Symbolbild Ein Mann zeichnet die israelische Fahne / © Vladyslav Starozhylov (shutterstock)
Symbolbild Ein Mann zeichnet die israelische Fahne / © Vladyslav Starozhylov ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Viele Ihrer Künstlerkollegen schweigen, wenn es darum geht, aktuell an der Seite Israels zu stehen. Wie erklären Sie sich denn die Zurückhaltung der Kultur- und Kunstszene?

Freischaffender-Künstler Gerd Mosbach / © Beatrice Tomasetti (DR)
Freischaffender-Künstler Gerd Mosbach / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Mosbach: Da gibt es sicherlich ganz verschiedenartige Beweggründe, Zurückhaltung aus der Besorgnis heraus zu üben, um keine Nachteile zu erleiden. Es könnten sich Nachteile dadurch ergeben, dass Leute denken, sie würden Sammler, Käufer, Interessenten verlieren.

Eine Rolle spielt aber auch die persönliche Einstellung zu der Angelegenheit. Als vor einigen Jahren sehr öffentlichkeitswirksam die Aktion "Arsch huh, Zäng ussenander" hier in Köln startete, hatte keiner Berührungsängste damit. Diejenigen, die dort damals teilnahmen, waren voll Engagement dabei. Von ganz vielen dieser Personen hört man nach Anfragen von medialer Seite ziemlich wenig oder eine Positionierung, die aus jüdischer Sicht nicht die richtige ist.

Mir geht es auch eigentlich nicht darum, aus welchen Gründen die Leute nichts sagen oder das Verkehrte sagen. Ich tendiere eher dazu, die Leute zu motivieren. Es bringt nichts, wenn ich jemanden frage: "Warum positionierst du dich nicht?" Im Zweifel sagt der: "Ich habe keinen Bock".

DOMRADIO.DE: Sie haben Künstlerkollegen darauf angesprochen. Welche Reaktionen haben Sie bekommen?

Gerd Mosbach

"Es besteht die Sorge, dass sich Kontakte zu der öffentlichen Hand dann schwieriger gestalten."

Mosbach: Genau diese Mischung bekam ich zu hören. "Ich weiß nicht, was ich machen soll. Wenn ich mich jetzt positioniere, weiß ich nicht, wen ich damit vergraule oder wo ich Schwierigkeiten bekomme".

Es besteht die Sorge, dass sich Kontakte zu der öffentlichen Hand dann schwieriger gestalten. Das heißt, die Kulturschaffenden verorten die Schwierigkeiten bei anderer persönlicher Meinung auch in der Zusammenarbeit mit Kommunen oder offiziellen Stellen.

DOMRADIO.DE: Warum ist es aus Ihrer Sicht denn so wichtig, dass deutlich mehr Künstler und Kulturschaffende ihre Stimme erheben sollten?

Mosbach: Es ist eine Frage des gemeinsamen Interesses. Ich persönlich habe ein Problem mit der Formulierung "Freund des jüdischen Volkes" oder "Freund des Staates Israels". Denn Freundschaft ist für mich eine persönliche Sache. Freundschaft ist zudem manchmal als Basis auch recht wackelig, wenn es um politische Sachen geht.

Zudem wird es viele Juden geben, die mich nicht mögen. Es wird auch viele Juden geben, die ich nicht sofort vom Tisch weg heiraten würde. Es hat was mit einer politischen Verantwortung zu tun, mit einem eigenen Wertesystem und vor allen Dingen mit gemeinsamen Interessen, wie eine Gesellschaft sein soll.

Da ist meine Position eindeutig. Wenn ich mir als Wohnort unbedingt eine Region im Nahen oder Mittleren Osten aussuchen würde, dann würde ich definitiv Jerusalem oder Tel Aviv allen anderen Orten vorziehen. Denn dort könnte ich mich mehr oder weniger so verhalten, wie ich mich auch hier verhalte.

DOMRADIO.DE: Sie engagieren sich auch, wenn es um Frieden und den interreligiösen Dialog geht. Wie setzen Sie in diesem Fall Ihre künstlerischen Möglichkeiten ein?

Mosbach: Ich weiß natürlich, woher das Christentum kommt. Ich fühle mich auch selbstverständlich dieser Vergangenheit verbunden. Ich verarbeite das auch in bestimmten Bildern, wie zum Beispiel in einem Bild, was eine Menorah darstellt und einen symbolischen Bogen von der Zerstörung des zweiten Tempels bis hin zu der Gründung des Staates Israels zieht – mit allen Stationen, die dazwischen waren.

Zu einem interreligiösen Dialog mit dem Islam kann ich nichts sagen. Damit habe ich mich nicht beschäftigt. Aber mit dem religiösen Dialog mit dem Judentum habe ich mich beschäftigt.

Jeder weiß, dass das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Judentum aus bestimmten Gründen etwas belastet ist. Tatsächlich aber und gerade festmachend am Staat Israel sollte man auch da erkennen, dass man gemeinsame Werte teilt und diese gemeinsamen Werte gefälligst gemeinsam verteidigt.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich denn von den Künstlerkollegen, von den Kulturschaffenden mit Blick auf die Situation in Israel aktuell?

Gerd Mosbach

"Israel ist ohne Wenn und Aber der Staat, der bestimmte Werte, die auch Europa teilt, mit hochhält und verteidigt."

Mosbach: Ich wünsche mir, dass sie einfach ganz klar sehen, dass sie als Künstler mit allen ihren Schrullen, mit allen ihren Eigenarten und mit ihrem Schrägsein in einem Staat wie Israel problemlos überleben könnten. Sie hätten dagegen in einem anderen Staatssystem, was nicht demokratisch, rechtsstaatlich und freiheitlich orientiert ist, ihre erheblichen Schwierigkeiten, das, was sie hier tun, dort zu tun.

Wir alle wissen, dass Israel, wie jeder andere demokratische, freiheitliche und rechtsstaatliche Staat, seine Licht- und Schattenseiten hat. Um mit Winston Churchill zu argumentieren: "Die Demokratie ist so was von fehlerhaft, aber sie ist die beste aller schlechten Regierungsformen".

Wir alle wissen, dass in sämtlichen Staaten nicht alles Gold ist, was glänzt. Aber Israel ist nun mal ohne Wenn und Aber der Staat, der bestimmte Werte, die auch Europa teilt, mit hochhält und verteidigt.

DOMRADIO.DE: Hoffen Sie denn, dass noch jemand Ihrer Kolleginnen und Kollegen reagiert?

Mosbach: Die Hoffnung hege ich selbstverständlich. Ich habe auch während der documenta die Hoffnung gehabt, dass sich mehr Künstler positionieren. Und zwar unabhängig davon, dass die Diskussion in Bezug auf die Kunstfreiheit sehr oft von Leuten geführt wurde, die gar nicht wissen, was Kunstfreiheit bedeutet.

Hito Steyerl hat eine Professur an der Akademie der Schönen Künste in Berlin. Sie hat ihre Werke abtransportiert und hat sinngemäß kommentiert, sie würde lieber in irgendeinem Potsdamer Kunstverein ausstellen als noch mal auf der documenta.

Meine Kritik oder meine Aufregung vor anderthalb Jahren hat sich jetzt wieder dahingehend bestätigt, dass es in dem Laden hinten und vorne nicht stimmt. Das ist eine Schande. Ich bedauere es sehr, dass kulturelle Institutionen, die Weltbedeutung haben, schlicht und ergreifend durch so ein tolles Management vor die Wand gefahren werden.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Stichwort documenta

Die documenta ist eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungsreihen zeitgenössischer Kunst. Alle fünf Jahre kommen Kunstschaffende ins nordhessische Kassel, um die Stadt 100 Tage lang in ein Panorama für Gegenwartskunst zu verwandeln. Die Ausstellung ist seit ihrer Gründung 1955 zum wichtigen Ort für Debatten über Kunst und Kultur geworden.

Eine kompostierbare Toilette steht zur documenta fifteen in der Karlsaue und ist Teil der Zusammenarbeit der Gruppe Cinema Caravan mit Takashi Kuribayashi. Die Weltkunstausstellung geht vom 18.06. bis 25.09.2022. / © Uwe Zucchi (dpa)
Eine kompostierbare Toilette steht zur documenta fifteen in der Karlsaue und ist Teil der Zusammenarbeit der Gruppe Cinema Caravan mit Takashi Kuribayashi. Die Weltkunstausstellung geht vom 18.06. bis 25.09.2022. / © Uwe Zucchi ( dpa )
Quelle:
DR