Motorradpfarrer Thorsten Heinrich fährt seine letzte Saison

"Die Geschwindigkeit ist wie ein Rausch"

Er fährt gerne Motorrad und manchmal bis direkt vor den Altar, der hessische Motorradpfarrer Thorsten Heinrich. Dieser Sommer ist seine letzte Saison als Seelsorger in schwarzer Lederkluft.

Autor/in:
Jens Bayer-Gimm
Symbolbild Motorrad mit Rosenkranz / © Butchoy Gabis (shutterstock)
Symbolbild Motorrad mit Rosenkranz / © Butchoy Gabis ( shutterstock )

"Die Geschwindigkeit ist wie ein Rausch, ich kann mich selbst spüren, rieche die Natur, fühle Freiheit in einer Welt, die immer mehr reglementiert wird" - so beschreibt Pfarrer Thorsten Heinrich in Hofheim am Taunus die Faszination des Motorradfahrens. Für manche Motorradfahrer sei es ein Hobby unter anderen, für andere der komplette Lebensinhalt in einer Biker-Gemeinschaft. 

Für Heinrich ist es ein Mittelding. Diese Saison ist seine letzte als Motorradpfarrer. Gegen Ende des Jahres werden die evangelischen Landeskirchen in Hessen die halbe Stelle der Motorradseelsorge streichen.

"Schnell fahren finde ich langweilig"

Das Motorrad sei viel stärker als das Auto ein Mittel zur Begegnung, Ausdruck von Freude und Lebensqualität, schwärmt Heinrich. Er fährt eine Honda CBF 1000 mit 98 PS, die bis 180 Kilometer in der Stunde schnell ist. "Ich fahre auf der Autobahn aber höchstens 130 Kilometer", sagt der 60-Jährige, "schnell fahren finde ich langweilig. Ich bin Motorradwanderer auf der Landstraße."

Pfarrer Thorsten Heinrich, Beauftragter für Motorradseelsorge der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau   / © Tim Wegner (epd)
Pfarrer Thorsten Heinrich, Beauftragter für Motorradseelsorge der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau / © Tim Wegner ( epd )



Das motorisierte Zweirad gehört für Heinrich gefühlt schon immer zum Leben dazu. Seit dem 16.  Lebensjahr sei er damit unterwegs. Das erste Motorrad war eine Enduro Honda XL 185 mit 16 PS. "Mit 18, 19 Jahren hat mir das Motorrad alles bedeutet", erzählt er. "Alle meine Freunde fuhren eines, es war ein Lebensgefühl von Freiheit." 

Dann kamen Bibelfreizeiten für Biker mit dem Berliner Motorradpfarrer Bernd-Jürgen Hamann in Bad Hersfeld und Höchst im Odenwald dazu und Treffen von christlichen Bikern auf Kirchentagen. 2011  wurde Heinrich selbst zum Motorradpfarrer ernannt.

Auf dem Motorrad zum Altar

Beim jüngsten "Anlassen" der Saison im vergangenen April in der Bergkirche in Niedergründau bei Gelnhausen rollte der Pfarrer in einer geliehenen elektrischen Harley-Davidson zum Altar vor. Die
 "Höllenmaschine ohne Lärm" lud er während des Gottesdienstes auf, ein konkreter Ausdruck des sonst übertragen gemeinten Tagesmottos "aufgeladen unterwegs". 

Der traditionelle Bikergottesdienst zum Saisonstart solle die Teilnehmerinnen und Teilnehmer "positiv aufladen", sagt Heinrich. Motorradfahrer seien 30-mal mehr unfallgefährdet als Autofahrer. Viele seien  sich des Risikos und der Begrenztheit des Lebens bewusst. Er selbst habe zwei enge Freunde durch tödliche Unfälle verloren.

Neben dem geistlichen Saisonstart hat Heinrich Motorradgottesdienste in Autobahnkirchen gehalten, Bikerfreizeiten mit Übernachten am Lagerfeuer, im Oktober die jährliche Gedenkfahrt für verunglückte Biker und der Gottesdienst in der Frankfurter Katharinenkirche. "Es gibt da ganz treue Seelen", berichtet der Pfarrer. 

Verbundenheit über Religionsgrenzen hinweg

So wollte eine junge Frau unbedingt vom Motorradpfarrer getraut werden, sie war schon mit ihrem Vater als Sozia zum Anlassen-Gottesdienst mitgefahren. Als sie ein Kind zur Welt brachte, habe sie natürlich die Taufe durch den Motorradpfarrer gewünscht. 

Motorräder vor der Bergkirche in Niedergründau bei Gelnhausen / © Tim Wegner (epd)
Motorräder vor der Bergkirche in Niedergründau bei Gelnhausen / © Tim Wegner ( epd )

Diese Frau habe die enge Verbundenheit der christlichen Bikergemeinde erfahren und dies an ihren Mann und ihre Kinder weitergeben wollen, sagt Heinrich bewegt.

Diese Verbundenheit wirkt auch über Religionsgrenzen hinweg: Die Mutter und die Schwester eines verunglückten muslimischen Motorradfahrers nahmen auch an einem Gedenkgottesdienst teil, wie Heinrich erzählt. "Sie haben die Solidarität der Gemeinde als sehr wohltuend empfunden."

Der Motorradpfarrer schwärmt von den früheren Bikertreffen an Heiligabend auf dem Feldberg im Taunus. Ein Fahrer sei im Kostüm des Weihnachtsmannes mit einem von Lämpchen beleuchteten Motorrad angerollt, viele brachten Thermoskannen mit, eine Sambagruppe machte Stimmung. 

"Ich habe so viel von den Motorradfahrern gelernt. Ich habe gelernt, mit welcher Lebensfreude man Gott feiern kann", sagt Heinrich. Im Dezember wird er in Hofheim von seinem Amt verabschiedet. Bikergottesdienste werde es weiterhin geben, "aber der Kirche fehlt ein Gesicht".

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd