DOMRADIO.DE: Warum ist es für Sie ein Bedürfnis, heute Abend bei dieser Kundgebung präsent zu sein?
Pfarrer Jörg Hagemann (Stadtdechant von Münster): Ich gebe ehrlich zu, dass es mich persönlich sehr betrifft, auch wenn ich den Malte gar nicht selbst kennengelernt habe. Ich war aber am vergangenen Sonntagabend beim Abschlussgottesdienst des Christopher Street Day dabei. Da war schon klar, dass es den Übergriff gab und es wurde sehr viel Persönliches über den jungen Mann erzählt und wie tragisch das Ganze war. Das trifft mich wirklich so persönlich, dass ich schon allein deswegen gerne hin möchte.
DOMRADIO.DE: Jetzt gilt Münster ja eigentlich als bunte und offene Studenten- und Fahrradstadt. Wie sehr trifft der Tod dieses Mannes die Menschen dort? Was haben Sie da bisher mitbekommen?
Hagemann: Die Solidarität für die queere Gemeinde ist riesengroß. Ich erlebe ein Mitgehen über die Parteien, über die Kirchen, über unterschiedliche Institutionen hinaus. Ich merke, dass sich die verschiedenen Pfarreien der Stadt Münster ganz unterschiedlich auf den Weg machen.
Teilweise gibt es Glockengeläut, teilweise soll es über das Wochenende Gebete geben. Ich merke, dass Menschen einfach betroffen sind, persönlich geschrieben haben und ins Gespräch kommen – und das über alle Grenzen hinaus.
DOMRADIO.DE: Jetzt scheint die Gewalt insgesamt gegen queere Menschen zuzunehmen. Was sagen Sie denn denjenigen, die offen gegen nicht heterosexuelle Menschen hetzen und Hass verbreiten?
Hagemann: Für mich ist erst mal völlig klar: Es hat niemand Hass zu verbreiten. Es hat niemand Gewalt zu verbreiten. Als Christ sage ich ganz deutlich, dass da ein Gott ist, der in keiner Weise will, dass wir Menschen ausgrenzen, beleidigen oder verletzen. Ich muss ehrlich sagen, als Mensch bin ich manchmal selbst einfach nur fassungslos, wenn ich so etwas überhaupt nur höre.
Es geht darum, dass Menschen da sind und ihre Geschichte und ihre Verantwortlichkeit haben. Die sollen sie in Verantwortlichkeit leben können. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, wenn da jemand hetzt. Da kann ich einfach nur sagen, das geht nicht. Das kann auch auf keinen Fall jemand mit einer Begründung tun, weil er sagt, Gott wolle so etwas nicht. Gott ist Buntheit. Gott ist Liebe. Gott ist Leben.
DOMRADIO.DE: Noch weiß die Polizei nicht viel über den Täter. Muss man jetzt auch aufpassen, dass die Spekulationen nicht wieder neuen Hass verursachen?
Hagemann: Mir ist wirklich wichtig, dass ich heute wieder gehört habe, dass die Münsteraner Polizeipräsidentin sehr deutlich gesagt hat, dass sie alles von der Polizei tun werden, was ihnen möglich ist, um da eine Aufklärung hinzubekommen.
Ich glaube, unsere Aufgabe ist es jetzt, diesem Hass etwas entgegenzusetzen, dass wir wirklich ein Zeichen dafür geben, dass wir nicht hassen, dass wir nicht akzeptieren, dass Gewalt ist. Ich würde es nicht zu groß kochen im Sinne davon, dass da eine Unsicherheit ist, sondern ich würde eher sagen: Viele Menschen sollten heute Abend auf den Münsteraner Prinzipalmarkt gehen und dort einstehen für Buntheit, für Leben, für Gewaltlosigkeit allen Menschen gegenüber.
Das Interview führte Martin Mölder.