Kaum ein Aspekt von Kunst und Leben des Jahrhundertkünstlers Pablo Picasso (1881-1973) wird in den zahlreichen Ausstellungen zu seinem 50. Todestag ausgelassen – auch nicht die Beziehung Picassos zur Religion. Ab dem 4. Oktober und bis zum 14. Januar 2024 geht das weltberühmte Thyssen-Bornemisza-Museum in Madrid in "Picasso, das Heilige und das Profane" genau dieser Beziehung auf den Grund.
Christliche Motive
Nicht wenige überrascht, dass ausgerechnet der Erfinder des Kubismus, ein überzeugter Agnostiker und Kommunist, so häufig christliche Motive und religiöse Ikonografie in seinen Werken verarbeitete. Picasso hat seine Distanz gegenüber dem christlichen Glauben und der katholischen Kirche oft geäußert.
"Picasso war kein religiöser Mensch", bestätigt Ausstellungskuratorin Paloma Alarco der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Er griff die christlichen Motive auf, um sich mit anderen Thematiken wie Hoffnung, Schmerz, Gewalt, Trauer, Nächstenliebe, aber auch mit seinen persönlichen Ängsten und Problemen zu beschäftigen."
Gelernt bei den alten Meistern
Warum? Weil Picasso das Kunsthandwerk vor allem von den großen Altmeistern lernte – wie El Greco, Murillo, Velazquez, Rubens oder Zurbaran, die allesamt und ihrer Zeit entsprechend mit religiösen Motiven arbeiteten, so die Kunstexpertin. So werden in der Ausstellung Picassos Gemälde auch genau den Werken dieser Meister gegenübergestellt, neben jenen anderer hochkarätiger Künstler wie Goya, Van der Hamen oder Delacroix.
Als Picasso sich mit familiärer Intimität beschäftigte, zog er Rubens' Darstellungen der Heiligen Familie heran; anhand von Murillos Werken näherte er sich dem Thema Mutterschaft. "Und bei Zurbaran und in El Grecos Kreuzigungsdarstellungen fand er Inspiration, um über Konzepte wie Trauer, Schmerz und Gewalt zu arbeiten", sagt Alarco.
Passion und Pieta
Selbst in seinem vielleicht bekanntesten Gemälde "Guernica" (1937) – ein zeitloses Manifest gegen Krieg und Gewalt – verarbeitete Picasso die christliche Ikonografie der Passion und das Motiv der Pieta. Das Werk gilt als Reaktion auf die brutale Bombardierung der spanischen Kleinstadt Guernica durch Hitlers Legion Condor.
Doch die Nutzung christlicher Motive ist nicht nur durch seine Verehrung der alten Meister zu erklären. "Wie bei jedem Menschen sind auch bei Picasso vor allem die Erinnerungen an seine Kindheit besonders prägend", erklärt Jose Lebrero, Direktor des Picasso Museums in Malaga, Geburts- und Heimatstadt der Künstlers. "Die Motive, vor allem die Kreuzigungsszenen der hochemotionalen andalusischen Osterprozessionen haben Picassos gesamtes Werk geprägt."
Katholische Erziehung
Zudem kam Picasso aus einer sehr katholischen Familie und erfuhr eine religiöse Erziehung. "Vor allem seine Mutter, eine praktizierende Katholikin, nahm ihn stets mit zum Gottesdienst im Kloster de la Merced, das sich damals direkt neben seinem Zuhause befand", betont Jose Maria Luna, Direktor des Geburtshaus-Museums in Malaga, in dem auch Picassos Taufkleid und Geburtsurkunde ausgestellt sind.
Doch als Picasso 14 Jahre alt war, zog seine Familie nach Barcelona. "Barcelona war damals Spaniens anarchistische Hochburg schlechthin", sagt Luna. "In diesem Ambiente und natürlich später in Paris wurde Picasso zum Atheisten oder Agnostiker, ohne sich jedoch von seiner christlichen Kindheit zumindest künstlerisch jemals ganz zu lösen."
Taufkirche vermittelt Gefühl
Wer Malagas Kathedrale besucht oder die Pfarrkirche vom Apostel Santiago, in der Picasso am 10. November 1881 getauft wurde, bekommt heute noch ein Gefühl für das religiöse Umfeld, in dem der Maler damals aufwuchs. In der Pfarrkirche aus dem Jahr 1487, einer der ältesten Kirchen Malagas mit eindrucksvollem Barock-Innenraum und dem von muslimischen Bürgern errichteten Mudejar-Turm, steht heute noch sein Taufbecken. Darin wurde der Junge auf den Namen "Pablo Diego Jose, Francisco de Paula Juan Nepomuceno, Maria de los Remedios, Cipriano de la Santisima Trinidad" getauft.
"Einerseits sind wir stolz, dass ein Universalgenie wie Picasso hier getauft wurde", meint Pfarrer Miguel Angel Gamero. "Doch irgendwie ist es auch schade, dass die Besuchermassen nur kommen, um sein Taufbecken aus dem 16. Jahrhundert zu sehen – und nicht diese prachtvolle Kirche."