Es war einer der Höhepunkte eines hochemotionalen Tages: Elton John sitzt in der Westminster Abbey am Piano, blass und sichtlich ergriffen, aber mit kraftvoller Stimme. Er singt "Candle in the Wind", umgetextet für seine tödlich verunglückte Freundin, Prinzessin Diana. Zwei Milliarden Menschen verfolgten die Bestattung live im Fernsehen, das Lied wurde eine Art Hymne der kollektiven Trauerbewältigung.
Diese Version seines Songs brachte der Musiker seither nicht mehr auf die Bühne, auch nicht auf ausdrücklichen Wunsch der britischen Königsfamilie - dies könnte er emotional nicht verkraften, sagte er
Unvergessliche Songs
Übersprudelnde Gefühle sind ein Markenzeichen von Elton John, gerade in Balladen wie "Your Song", "Goodbye Yellow Brick Road" oder "Can You Feel the Love Tonight", die ihm 1995 einen ersten Oscar einbrachte. Nicht weniger mitreißend sind seine rockigen Nummern wie "Crocodile Rock", "Saturday Night's Alright (for Fighting)" oder "I'm Still Standing". Und manche sagen, am besten sei der Künstler, wenn beides zusammenkommt, wie im Song "Rocketman", der nicht umsonst der Filmbiografie von 2019 ihren Namen gab. Am Freitag wird der Künstler, der seinen jüngsten Nummer-1-Hit im vergangenen Jahr feierte, 75 Jahre alt.
Geboren 1947 als Reginald Kenneth Dwight, sorgte die Großmutter des Jungen dafür, dass er Klavierspielen lernte. Mit elf Jahren erhielt er ein Nachwuchsstipendium für die Londoner Royal Academy of Music, als Jugendlicher trat er jeden Sonntag in einem Pub auf. Mitte der 1960er-Jahre gründete er seine erste Band, und die Vornamen zweier Mitglieder inspirierten ihn zu seinem Künstlernamen, den er amtlich eintragen ließ. Ab 1969 schrieb John fast alle seine Songs gemeinsam mit Bernie Taupin, ein Jahr später gelang ihm der Durchbruch.
Mit glitzernden Bühnenoutfits und überdimensionierten Brillen prägte er die 1970er Jahre. Musikalisch blieb er vielseitig, landete etwa auch den Disco-Erfolg "Don't Go Breaking My Heart". Im folgenden Jahrzehnt wurde es ruhiger um ihn - auch wegen gesundheitlicher Probleme. 1987 musste John nach einer Kehlkopfoperation das Singen neu erlernen, 1990 überwand er seine Drogenabhängigkeit und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Sein einziger Auftritt in dieser Zeit war die erneute Aufnahme von "Don't Let the Sun Go Down on Me" gemeinsam mit George Michael - als Duett wurde der Song zu einem noch größeren Erfolg.
1992 feierte der Musiker sein Comeback, trat unter anderem beim Tribute-Konzert für den verstorbenen Queen-Sänger Freddie Mercury auf. Unter diesem Eindruck gründete er die Elton John AIDS Foundation, die bis heute nach eigenen Angaben rund 275 Millionen Dollar sammelte. 1993 begann seine Partnerschaft mit dem Filmproduzenten David Furnish, den John, bereits seit 1976 offen bisexuell lebend, im Jahr 2014 heiratete.
Kritik am Vatikan
Auch trat der Musiker für die Rechte queerer Menschen ein - und äußerte sich in diesem Zusammenhang bisweilen religionskritisch. Da Religionsvertreter "Hass und Verachtung" gegenüber Homosexuellen schürten, würde er Religion komplett verbieten, sagte er einmal. Konkret meinte er offenbar organisierte Formen von Religion: "Sie verwandelt Menschen in hasserfüllte Lemminge und ist nicht mitfühlend."
Zuletzt warf der Popstar dem Vatikan im vergangenen Jahr Heuchelei vor, als die Glaubenskongregation einer Segnung homosexueller Paare eine Absage erteilte. Als Provokation hatten konservative Kirchenvertreter Jahre zuvor seine Aussage empfunden: "Ich denke, Jesus war ein mitfühlender, super-intelligenter schwuler Mann, der die menschlichen Probleme verstand." Weiter erklärte der Musiker, Jesus Christus habe gewollt, "dass wir lieben und vergeben". Er verstehe daher nicht, warum manche Menschen so grausam seien.
Die ersten 60 Shows seiner Abschiedstournee, die John 2018 ankündigte, waren binnen Stunden ausverkauft. Wegen der Corona-Pandemie mussten zahlreiche Auftritte freilich verschoben werden, zuletzt im Januar, als sich der Musiker selbst mit dem Virus infizierte. Planmäßig wird er nun im Mai zum letzten Mal in Deutschland auf der Bühne stehen.