Vor Anhängern und Medienvertretern in Sao Bernardo do Campo warf Lula da Silva (75) dem Ex-Militär am Mittwoch vor, keine Antworten auf die Pandemie und die Wirtschaftskrise zu haben.
Fragen zu einer möglichen Kandidatur im Oktober 2022 wich er bei dem fast dreistündigen Auftritt am Sitz der Metallgewerkschaft aus. Dies werde man in der Zukunft entscheiden, so Lula, der in den 70er Jahren Präsident der Gewerkschaft war. Am Montag hatte das Oberste Gericht vier Prozesse gegen ihn wegen Korruption und Geldwäsche annulliert und damit den Weg für eine Kandidatur Lulas freigemacht.
Franziskus entsandte Vertreter
Damit wurden auch die zwei bisherigen Verurteilungen aufgehoben, die ihn bereits die Kandidatur bei der Wahl 2018 verwehrten. Der Ex-Präsident verbrachte stattdessen 580 Tage in Haft. Damals habe Papst Franziskus eigens einen Vertreter nach Brasilien geschickt, um ihn in der Haft zu besuchen und ein persönliches Schreiben zu überreichen. Allerdings habe die Gefängnisverwaltung den Besucher aus dem Vatikan nicht zu ihm vorgelassen.
Zudem dankte Lula dem früheren SPD-Parteivorsitzenden Martin Schulz, der ihn in der Haft besuchte und sich für seine Freilassung einsetzte. Lula hatte stets darauf bestanden, dass seine Verurteilung politisch motiviert sei, um ihm die Rückkehr ins Präsidentenamt zu verwehren.
Die jetzt ergangene Annullierung bedeutet jedoch keinen Freispruch von den Vorwürfen, die Prozesse müssen aber komplett neu aufgerollt werden. "Ich bin das Opfer der größten juristischen Lüge in 500 Jahren geworden", so Lula.
Auch die Medien hätten bei der Kampagne mitgemacht. Allerdings gab sich Lula versöhnlich. Er wolle in die Zukunft schauen. Ob er Kandidat eines Linksbündnisses wird, werde man später entscheiden.
Kritik an Bolsonaros Regierung
Der aktuellen Regierung warf er Versagen bei der Pandemiebekämpfung vor. Bolsonaro sei lediglich daran interessiert, die Bevölkerung zu bewaffnen, statt sie in Arbeit und Brot zu bringen. An die Unternehmer Brasiliens gerichtet bat Lula: "Habt keine Angst vor mir!"
Beobachter glauben, dass sich Lula ähnlich wie Joe Biden in den USA als Versöhner statt Radikaler positionieren will. Damit will er den Märkten die Angst vor seiner erneuten Kandidatur nehmen. Bei den Wahlen 2018 hatten Unternehmerverbände Bolsonaro unterstützt. Bei dem Auftritt zeigte sich Lula, der 2011 an Kehlkopfkrebs erkrankt war, bei bester Gesundheit. Er fühle sich wie ein Dreißigjähriger, erklärte der Politiker.