DOMRADIO.DE: Die Autorität ist nicht mehr da, sagt Annegret Kramp-Karrenbauer. Dann ist es wohl die richtige Konsequenz zurückzutreten. Macht sie es für ihre Partei jetzt schwieriger oder einfacher?
Volker Resing (Chefredakteur der Herder Korrespondenz): Vielleicht ist es ein Schritt, der jetzt der CDU hilft, Klarheit zu finden für die Zeit nach Angela Merkel. Es ist eigentlich ein Schritt, der sehr eng mit Angela Merkel zusammenhängt, mit dieser Situation, dass die Kanzlerin weiterhin im Amt ist und die Parteivorsitzende zu wenig Autorität hatte. Das hat man ja gerade in Thüringen gesehen. Insofern ist die Rücktrittsankündigung Annegret Kramp-Karrenbauers eine Chance für die CDU.
DOMRADIO.DE: Im Dezember 2018 hat Annegret Kramp-Karrenbauer den Parteivorsitz übernommen. Die Stimmung war ja fast schon euphorisch in der CDU. Das Bild hat sich jetzt aber quasi um 180 Grad gedreht. Warum?
Resing: Vielleicht war das schon eine kleine Lebenslüge, dass sie diese Wahl stark gewonnen hätte. Sie hatte sie gegen Friedrich Merz aber nur ganz knapp gewonnen. Die Partei war in dem Moment, in dem sie gewählt wurde, doch sehr gespalten. Diese zwei Lager sind schwierig zusammenzubringen und sie hängen beide stark mit dem Amt des Regierungschefs, mit der Kanzlerschaft zusammen.
Die CDU ist mit Freude ein "Kanzlerwahlverein" und versammelt sich gerne um das Kanzleramt. Um die Macht und Gestaltungsmöglichkeiten des Kanzleramtes versammeln sich auch die unterschiedlichen Flügel hinter dem Regierungschef. Aber diese Autorität hat sie als Parteivorsitzende nicht gehabt und hat es nicht geschafft, dieses anderen Lager innerhalb der CDU entsprechend genügend einzubinden. Das ist auch eine Erblast der erfolgreichen Kanzlerschaft Angela Merkels. Sie hat eine gewisse Repräsentationslücke des konservativen Lagers hinterlassen.
Dieses Erbe von Angela Merkel - bei all ihren Verdiensten - muss jetzt sozusagen aufgearbeitet werden. Das hat Annegret Kramp-Karrenbauer nicht geschafft. Dazu war sie dann doch zu eng an Angela Merkel. Vielleicht muss man auch lernen, dass man solche Wechsel nicht in der Nähe des Vorgängers, sondern eher in der Abgrenzung zum Vorgänger vollziehen muss. Das haben wir bei Angela Merkel und Helmut Kohl ja auch erlebt. Angela Merkel hat viel von Helmut Kohl gelernt, aber im entscheidenden Moment hat sie sich von ihm abgesetzt, um dann die Nachfolge anzutreten.
DOMRADIO.DE: Sie haben Annegret Kramp-Karrenbauer für die Herder Korrespondenz interviewt und porträtiert. Wie schätzen Sie sie ein?
Resing: Sie ist ein politisches Talent und eine Politikerin, die auch aus dem christlichen Glauben und aus der Mitgliedschaft zur katholischen Kirche heraus durchaus Kraft zieht und da Orientierung findet für ihr politisches Handeln. Sie ist auch eine Machtpolitikerin. Sie hat im Saarland gezeigt, dass sie Aufstiegs- und Machtwillen hat, und das ist auch richtig und gut für eine Politikerin.
Sie hat auch gezeigt, dass sie - vielleicht stärker noch als Angela Merkel - durchaus auch ein normatives Wertegerüst hat, welches sie in die Politik mit einbringt. Damit ist sie auch angeeckt. Da hat man auch gedacht, dass sie vielleicht dieses stärker einbringt, um sozusagen die Breite der Partei wieder zusammenzubinden - etwa in Fragen von Familienpolitik oder auch bioethischen Fragen hat sie ja durchaus sehr klare Vorstellungen. Aber das hat sie nicht in der Weise einsetzen können, als dass man ihr sozusagen die Repräsentanz der breiten Partei abgenommen hätte.
DOMRADIO.DE: Annegret Kramp-Karrenbauer hat aber den Wechsel quasi aus konfessioneller Sicht geschafft - von der evangelischen Vorgängerin zur katholischen Parteichefin. Sie ist selber auch ZdK-Mitglied, also in der katholischen Laienorganisation. Hat man das ihrer Politik angemerkt?
Resing: Man muss generell sagen, dass Konfessionalität in der Politik nicht mehr die Rolle spielt wie früher. Das ist in kirchlichen Gesellschaften ein Kriterium, was einfach nicht mehr so entscheidend ist. Dennoch ist Annegret Kramp-Karrenbauer sprechfähig in inhaltlichen Dingen im Gegensatz zu den meisten Bundestagsabgeordnete.
Aber auf der anderen Seite, wenn man das doch genauer betrachtet, ist tatsächlich ein kleiner Schwenk wieder Richtung der katholischen Wurzeln der CDU spürbar. Von den möglichen Nachfolgerinnen oder Nachfolgern, die jetzt genannt werden, also Friedrich Merz, Jens Spahn und Armin Laschet, sind alle katholisch und auch durchaus sprechfähig dazu - mit einer Kirchlichkeit, die sich dann auch bemerkbar macht. Man darf das nicht zu hoch hängen, aber völlig unwichtig ist es auch nicht.
DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie sagen, aus katholischer Sicht ist es eigentlich egal, wer von den dreien dann Ihre Nachfolge antreten würde?
Resing: Vielleicht müssen wir uns auch daran gewöhnen, in der Politik endlich mal von diesen Schwarz-Weiß-Kategorien wieder etwas abzusehen und nicht zu meinen, dass man etwa mit einer katholischen Brille genau sehen könnte, was ist gut und was ist schlecht. So einfach ist das nicht in der Politik. Insofern kann man nur sagen, dass eine gewisse katholische Farbe möglicherweise in der CDU jetzt wieder etwas stärker sichtbar ist, als es schon mal war. Ein Gradmesser für gute oder schlechte Politik kann das natürlich nicht sein.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.