Warum haben die Kirchen in Deutschland ein eigenes Arbeitsrecht?
Das Grundgesetz räumt den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein weitgehendes Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht auch im Arbeitsrecht ein. Auf dieser Grundlage unterscheiden sich die Bedingungen für die rund 1,3 Millionen Mitarbeitenden der beiden großen Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände von denen im weltlichen Arbeitsrecht.
Wo ist das kirchliche Arbeitsrecht geregelt?
Auf katholischer Seite wird es seit 1994 in der "Grundordnung des katholischen Dienstes" geregelt. 2015 haben die Bischöfe sie liberalisiert. Zuletzt gerieten die Regelungen vor allem vor dem Hintergrund der Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union (EU) mehrfach in Konflikt mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Gerichtshofs für Menschenrechte (IGMR).
In Deutschland scheint das Bundesarbeitsgericht in Erfurt weitere Liberalisierungen zu wünschen, während in Karlsruhe das Bundesverfassungsgericht mit Rückgriff auf das Grundgesetz die geltenden Regeln hochhält.
Für wen gilt die Grundordnung?
Die Ordnung gilt für alle Dienstnehmenden in katholischen Einrichtungen. Dazu gehören Bistümer, Pfarrgemeinden, Schulen, Kitas und Kliniken in kirchlicher Trägerschaft sowie die Caritas.
Was bedeutet Loyalitätsverpflichtung?
Die Kirche darf von Mitarbeitenden eine Loyalitätspflicht einfordern.
Wer bei der Kirche arbeitet, muss etwa die "Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten". Auch darf man in der "persönlichen Lebensführung" sowie im dienstlichen Verhalten "die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden". Verstöße können zur Kündigung führen.
Warum können homosexuelle und andere queere Menschen in der Kirche ihren Job verlieren?
Nach katholischer Lehre ist die kirchlich geschlossene Ehe zwischen Mann und Frau die einzig anerkannte. Allerdings gelten nach der Grundordnung von 2015 weder Homosexualität noch das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe grundsätzlich als Loyalitätsverstoß. Eine Kündigung kann aber dennoch erfolgen, wenn die Partnerschaft "objektiv" dazu geeignet ist, "ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen".
Wer entscheidet darüber?
Der Dienstgeber. Dabei wird meist unterschieden, ob jemand eine Leitungsposition innehat oder in "verkündigungsnahem Dienst" tätig ist, etwa als Pastoralreferent oder Religionslehrerin. Für das Seelsorgepersonal gelten also höhere Anforderungen in Sachen Loyalität als etwa für Reinigungskräfte, Krankenpfleger oder Ärztinnen. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung der vergangenen Jahre den Freiraum der Kirchen eingeschränkt, solche Loyalitätsfragen selbstständig zu regeln.
Gibt es bald ein neues kirchliches Arbeitsrecht?
Das wird als sehr wahrscheinlich eingeschätzt. Dem Vernehmen nach will eine Arbeitsgruppe auf Ebene des Verbandes der Diözesen Deutschlands - also auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz - in diesem Jahr erste Ergebnisse für eine überarbeitete, liberalere Grundordnung vorlegen. Der Essener Weihbischof Ludger Schepers mahnte einen Kulturwandel an: Es dürfe nicht sein, dass sexuelle Identität und Orientierung aus Angst vor negativen Konsequenzen verheimlicht werden müssten. Es werde an einem Arbeitsrecht gearbeitet, das Diskriminierungen ausschließen solle, sagte der Beauftragte der deutschen Bischöfe für den Kontakt zur Pastoral queerer Menschen dem Internet-Portal katholisch.de. Offiziell nimmt die Bischofskonferenz zu Anfragen keine Stellung.