Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hatte Aachener Bischof Helmut Dieser schon am Montag gesagt, die Initiative sei ein Zeichen dafür, dass man daran arbeite, ein Klima der Angstfreiheit in der Kirche entstehen zu lassen. "Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner geschlechtlichen Identität diskriminiert oder abgewertet oder kriminalisiert werden", so Dieser am Rande der Sitzung des Ständigen Rats der Bischöfe in Würzburg. Der Bischof ist Vorsitzender des Forums «Leben in gelingenden Beziehungen - Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft» beim Synodalen Weg.
Im Rahmen der Initiative "#OutInChurch" sowie einer Fernsehdokumentation outeten sich 125 Menschen in der katholischen Kirche. Viele von ihnen sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, "dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität" nicht zur Kündigung führe. Die Dokumentation war am Montagabend in der ARD zu sehen und ist in der Mediathek abrufbar.
Bischof Bode: Längst überfällige Debatte!
Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode betonte, die Zeugnisse der Kampagne mahnten eine "längst überfällige Debatte" an: Es brauche dringend "für alle Seiten verlässliche Lösungen" bezüglich des Arbeitsrechts. Einzelfall-Lösungen, die in seinem Bistum "sensibel und nach Kräften" gesucht würden, trügen ihrerseits auch zu Unsicherheiten bei. Diese Thematik werde bei der dritten Vollversammlung des Synodalen Wegs Anfang Februar aufgegriffen, so Bode.
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße erklärte: "Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein". Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sagte der "Bild"-Zeitung (Montag), Liebe in partnerschaftlicher Verantwortung sei "eine Frage des Respekts, der gegenseitigen Achtung und der tiefen inneren Gefühle und Empfindungen". Der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers twitterte: "Wir alle sind Geschöpfe Gottes. Und die Kirche muss jedem Menschen Heimat bieten. Dafür will ich mich einsetzen."
Kirchliche Grundordnung in dieser Form "ohne Bestand"
Unterdessen sagte der Arbeitsrechtler Hermann Reichold der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung"» (Dienstag), die Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechts könne "in dieser Form keinen Bestand haben". Weltliche Gerichte würden "immer kritischer", kirchliche Arbeitgeber würden künftig eine wachsende Zahl von Prozessen verlieren. Geplant sei die Vorlage eines reformierten Arbeitsrechts noch für dieses Jahr, sagte Reichold, der den Verband der Diözesen Deutschlands bei dieser Reform berät. "Die bisherige Verurteilung von Homosexualität wird aller Voraussicht nach bei der Reform des Arbeitsrechts wegfallen. Man wird dann wahrscheinlich einfach darüber hinweggehen."
Kaum Rechtssicherheit für queere Menschen
Queere, also nicht heterosexuelle Beschäftigte in katholischen Einrichtungen haben nach Einschätzungen des Kirchenrechtlers Georg Bier wenig Rechtssicherheit. Eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft sei mittlerweile zwar nicht mehr in jedem Fall ein Loyalitätsverstoß gegen das kirchliche Arbeitsrecht, erklärte der Theologe in einem am Montag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Beschäftigte könnten aber nicht sicher sein, dass es keine Auswirkungen auf ihr Dienstverhältnis habe: "Alles liegt im Ermessen des Dienstgebers."
Insbesondere bei Menschen im pastoralen Dienst oder bei Religionslehrkräften könne ein Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre schnell zur Kündigung führen, sagte Bier. Sie brauchen für ihre Arbeit einen besonderen kirchlichen Auftrag wie die "missio canonica". Für Priester gelte vor allem das Zölibatsgebot: "Einen Priester aus dem Klerikerstand zu entlassen ist deutlich schwieriger als einem Religionslehrer die missio canonica zu entziehen und ihm damit im Ergebnis seine Tätigkeit zu verbieten."
Homosexuelle dürfen keine Priester werden
Zwar verbiete es eine kirchenrechtliche Ausführungsbestimmung, homosexuelle Männer zu Priestern zu weihen, so der Theologe. Diese Instruktion führt seiner Ansicht nach vor allem dazu, dass Männer ihre sexuellen Neigungen verschwiegen oder unterdrückten: "Sie führt aber sicher nicht dazu, dass homosexuelle Männer nicht mehr zu Priestern geweiht werden."
Nicht im Blick habe der Gesetzgeber Menschen, die etwa transsexuell oder nicht-binär sind. Sie seien daher auch nicht implizit im Kirchenrecht berücksichtigt, erklärte Bier. Eine vertrauliche Note der Glaubenskongregation habe jedoch darauf hingewiesen, dass transsexuelle Menschen keinen Anspruch auf kirchliche Funktionen hätten: "Um kein Ärgernis zu erregen oder um keine Verwirrung zu stiften, sollten sie demnach eher nicht als Religionslehrer tätig sein oder Lektoren werden."