Wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) den Jüdinnen und Juden seine Solidarität zugesichert. "Es macht gerade in den letzten Jahren den Anschein, als sei Antisemitismus wieder salonfähiger geworden", sagte der Regierungschef am Dienstagabend in der Kölner Synagoge bei einer Gedenkstunde an die Novemberpogrome von 1938. Dies sei besorgniserregend und beschämend.
"Weckruf an uns alle"
Man dürfe sich nicht daran gewöhnen, dass Jüdinnen und Juden sich auf den Straßen nicht mehr sicher fühlen oder ihre religiösen Symbole nicht mehr zeigen könnten, betonte Wüst. Die Landesregierung werde es nicht hinnehmen, wenn vor Synagogen antisemitische Parolen gerufen oder als Zeichen des Judenhasses israelische Fahnen verbrannt werden. "Angriffe auf jüdische Einrichtungen sind ein Weckruf an uns alle", sagte der Regierungschef.
Antisemitismus ist nach seinen Worten vielfältig und habe sich seiner Zeit immer wieder angepasst. So hätten in der Corona-Pandemie "die selbst ernannten Querdenker" bei Demonstrationen den Davidstern mit der Aufschrift "ungeimpft" getragen und damit zeigen wollen, dass sie wie Juden in der NS-Zeit verfolgt würden. "Diese Verharmlosung der nationalsozialistischen Judenverfolgung und damit des Holocaust ist unerträglich", so Wüst. Selbst vergessen geglaubte Verschwörungstheorien von der jüdischen Weltherrschaft fänden bei manchen wieder Anklang.
Jüdisches Leben prägt die Gesellschaft
Wüst nannte es einen "Grund zu großer Freude", dass wieder eine vielfältige jüdische Gemeinschaft in Deutschland existiere. Er erinnerte auch an das derzeit begangene Jubiläum "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Diese Geschichte habe neben vielen Tiefen auch Höhen umfasst. Jüdische Persönlichkeiten hätten Wissenschaft und Kultur in Deutschland mitgeprägt, auch den Karneval.
Die Taten in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 hätten zu den schlimmsten und beschämendsten Momenten der deutschen Geschichte gehört, sagte der Ministerpräsident. 83 Jahre danach werde auch deutlich, wie zerbrechlich Erinnerung selbst sein könne. "Je länger die Geschehnisse zurückliegen, desto kleiner wird die Zahl der Zeitzeugen." Daher sei der 9. November auch ein Tag der Mahnung an das Erinnern selbst.
An der Veranstaltung unter dem Titel "Verschwörungstheorien gestern und heute" nahm auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, teil. Sie endete mit einer Kranzniederlegung. Mit-Organisatorin war die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.