"Muslime streben die Islamisierung von Deutschland an", "Im Islam werden die Frauen unterdrückt", "Mehr Antisemitismus durch muslimische Geflüchtete" - drei typische Schlagzeilen. Aus Sicht des Gesprächskreises "Christen und Muslime" des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) handelt es sich dabei um unzulässige Pauschalisierungen. Und weiter: Solche Darstellungen trügen dazu bei, dass Muslime in Deutschland zunehmend mit Vorbehalten konfrontiert seien.
Am Samstag diskutierte die ZdK-Vollsammlung über die aktuelle Erklärung des Arbeitskreises, "Nein zu Hass und Hetze - Christen und Muslime gemeinsam gegen Islamfeindlichkeit". Kurz nach den Terrorangriffen von Nizza und Wien gelte es umso mehr, auch diese Facette der öffentlichen Debatte zu beleuchten, so die Verfasser.
Antimuslimische Sichtweisen "breit verankert"
Worte und Begriffe bildeten Meinungen, und diese könnten zu Taten führen, warnte die Mitautorin und muslimische Theologin Hamideh Mohagheghi. "Schon lange, bevor gewalttätige Angriffe auf Menschen muslimischen Glaubens verübt werden, existieren islamfeindliche Denkmuster in den Köpfen", heißt es in dem Papier.
Antimuslimische Sichtweisen seien "in Deutschland gesellschaftlich breit verankert", mahnen die Verfasser. Dies führe zu Diskriminierung etwa bei der Wohnungsuche oder am Arbeitsmarkt, kritisierte die katholische Theologin Anja Middelbeck-Varwick, ebenfalls Mitautorin.
Wenn Muslime öffentlich aufträten, dann zumeist als Experten für ihre eigene Religion. Fast jede Frau, die ein Kopftuch trage, kenne herabsetzende Fragen und Bemerkungen - und viele berichteten von körperlichen Angriffen.
Verzerrtes Bild des Islam in der Öffentlichkeit
Die Vielfalt islamischen Glaubenslebens müsse stärker in den Fokus rücken, so der Aufruf des ZdK. Auch das gesellschaftliche Engagement zahlreicher Muslime werde zu wenig beachtet. Eine wichtige Rolle spielten die Medien und Soziale Netzwerke: Oft werde "der Islam" in der Öffentlichkeit nur mit negativ besetzen Themen in Verbindung gebracht. "Verzerrt wird das Bild schon dann, wenn muslimische Lebenswelten in ihrer Normalität fast nicht mehr sichtbar werden." Hass und Hetze im Internet müssten auf Widerspruch stoßen.
Nach den jüngsten Attentaten seien einmal mehr Forderungen laut geworden, dass Muslime sich von diesen Taten klarer distanzieren müssten, fügte Middelbeck-Varwick hinzu. Sie verwies auf eine frühere Erklärung des Gesprächskreises mit dem Titel "Keine Gewalt im Namen Gottes" - dies bleibe selbstverständlich aktuell. "Vergessen wir aber nicht, dass auch Musliminnen und Muslime von Terrorismus betroffen sind - und dass viele Gewalt seit Langem und in aller Deutlichkeit verurteilen."
Judenfeindlichkeit unter Muslimen bekämpfen
Die Verfasser warnen zugleich vor reflexhafter Abwehr, wenn es nach islamistischen Anschlägen etwa heiße: "Das hat nichts mit dem Islam zu tun". Es gelte, auch bei Reizthemen "stets gewissenhaft und sachlich zu antworten". Ebenso müssten muslimische Gemeinden und Organisationen die Judenfeindlichkeit bekämpfen, die es auch unter Muslimen gebe, die schon lange in Deutschland lebten.
Die Debatte darüber dürfe indes nicht davon ablenken, dass der Antisemitismus insgesamt besorgniserregend zunehme. "Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dagegen vorzugehen", betonte Mohagheghi. "Wechselseitige Schuldzuweisungen helfen nicht weiter."
Kritik, die Missstände aufdecken könne, sei wichtig und wertvoll - im Gegensatz zu pauschalen Vorwürfen, so das ZdK. Und weiter: "Wir lehnen Kritik an Religionen auch dann ab, wenn sie Feindbilder schürt sowie Diskriminierung und soziale Exklusion befördert."
Unterscheidung zwischen "Islam" und "Islamismus"
Der zuletzt diskutierte Begriff des "politischen Islam" erscheine ihm unterdessen "nicht zielführend" und "zu flau", sagte ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Wenn Religion politisch werde, sei dies nicht mit Mord und Terror gleichzusetzen, sondern bedeute, dass Religionsvertreter und Gläubige sich in die Gesellschaft einbrächten. "Es ist nicht falsch, wenn eine Religion das tut", betonte Sternberg.
Dies gelte nicht nur für die Kirchen, sondern auch für Muslime. Auch die Unterscheidung zwischen "Islam" und "Islamismus" sei "bei manchen nicht richtig angekommen", ergänzte Mohagheghi.