Neubauer sieht Verbindung zwischen Klimaschutz und Frieden

"Klimaschutz als Beitrag für so viel mehr"

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer ist mit dem ökumenischen Predigtpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Im Interview erklärt sie, wie sie die Auszeichnung sieht und welche Bedeutung der Klimawandel für den Frieden hat.

Luisa Neubauer im DOMRADIO.DE-Interview / © Alexander Foxius (DR)
Luisa Neubauer im DOMRADIO.DE-Interview / © Alexander Foxius ( DR )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ihnen der ökumenische Predigtpreis?

Luisa Neubauer / © Harald Oppitz (KNA)
Luisa Neubauer / © Harald Oppitz ( KNA )

Luisa Neubauer (Klimaaktivistin von der "Fridays-for-Future"-Bewegung): Es bedeutet, dass wir als "Fridays-for-Future" nicht nur mit unseren Taten, sondern auch in unseren Worten als Klimabewegung gesehen werden. Ich verstehe die Auszeichnung als einen kollektiven Preis. Ich glaube, es ist offensichtlich, dass ich das, was ich mache, nur tun kann, weil viele andere ihren Teil dazugeben.

Das bezieht sich nicht nur auf die Vielfalt in der Klimabewegung, sondern auch auf die vorangegangenen Generationen. Ich denke da beispielsweise an meine Großmutter, die schon vor Jahrzehnten für Klima- und Umweltschutz eingestanden ist. Gewissermaßen baut mein Engagement auf ihrem auf.

Lange wurde man über die Klimabewegung als Aktionsort gesprochen. Die Art und Weise, wie wir über die Welt sprechen, wie wir über die Krisen sprechen, wie wir miteinander sprechen, das ist genauso wichtig. Deswegen ist es schön, dass das gesehen und mit dem ökumenischen Predigtpreis ausgezeichnet wird.

Luisa Neubauer

"Der Einsatz für Klimaschutz als Beitrag für Gesellschaft, Demokratie, Frieden und Zusammenhalt ist entscheidend."

DOMRADIO.DE: Sie haben den ökumenischen Predigtpreis für Ihr Lebenswerk erhalten. Damit stehen Sie in einer Tradition mit Hanns Dieter Hüsch, Annette Kurschus und Norbert Lammert. Wie fühlt es sich in ihrem Alter an, einen Preis für sein Lebenswerk zu bekommen?

Neubauer: Ich will mir darauf nichts einbilden, weil wir das gemeinsam als "Fridays-for-Future" geschaffen haben. Meine Arbeit ergibt nur Sinn, weil andere sie ebenfalls machen. Ich verstehe den Preis als repräsentativen Preis. Ich freue mich über die Auszeichnung, weil sie zeigt, dass wir an einem Punkt angekommen sind, an dem es selbstverständlich ist, den Einsatz für Klimaschutz als ein Beitrag für so viel mehr als das Klima anzuerkennen. Für Gesellschaft, Demokratie, Frieden und Zusammenhalt. Genau das ist es.

DOMRADIO.DE: Predigt ist ein uralter Begriff. Hat das ein bisschen Geschmäckle in Ihrer Generation? Man lässt sich ja nicht gern etwas predigen.

Luisa Neubauer

"In der Predigt kann man Fragen stellen und offenlassen, was in Demonstrationen nicht so leicht möglich ist."

Neubauer: Ja, das stimmt. In meiner Predigt, die ich im Berliner Dom halten durfte, bin ich damit eingestiegen. Als Klimaaktivistin jetzt auch noch predigen, obwohl es uns ohnehin schon vorgehalten wird, das zu tun. Interessanterweise habe ich es anders erlebt. Als ich meine Predigt oder andere predigtartige Reden mit den Reden, die ich auf Klima Protesten halte, verglichen habe, war es gerade die Predigt, die mir erlaubt hat, Fragen zu stellen und Fragen offenzulassen.

In der Predigt kann man die Tonlage ändern, sanfter werden, forschen, fühlen und Überlegungen anstellen, wie es weiter geht und wo man Kraft schöpfen kann. In gewisser Weise ist eine Rede auf einer Demonstration oder einem Protest viel eindringlicher, viel predigender als die eigentliche Predigt.

DOMRADIO.DE: Im Berliner Dom und in der Leipziger Michaelis-Friedens-Kirche haben Sie die Kanzelrede gehalten. Wie fühlte sich das an?

Neubauer: Na ja, es ist rhetorisch gar nicht so leicht. Es ist oft ein hallender Raum. Die Menschen sind in gewisser Weise gnadenlos. Wer gelangweilt ist, dem sieht man das sofort an. Das ist bei einer Demo nicht so offensichtlich und auch im Fernsehen etwas anderes.

Es waren schon herausfordernde Situationen, wo ich mir genau überlegen musste, was ich und wie ich eigentlich etwas sagen möchte, sodass es ankommt. An der Stelle würde ich mir fast wünschen, dass gerade Menschen, die in der Politik viel reden, ab und zu in einer Kirche vorbeischauen.

DOMRADIO.DE: In ihrer Dankesrede haben Sie Predigten und Kirchen als Kraftzentren auch für die Bewegung "Fridays-for-Future" bezeichnet. Wie haben Sie das gemeint?

Neubauer: Ja, das werde ich viel gefragt. Ich glaube, wir alle werden das viel gefragt. Woher nehmen wir die Kraft? Woher nehmen wir die Hoffnung? Warum geben wir nicht auf? Wie brennen wir nicht aus?

Ich habe das lange unterschätzt, wie bedeutsam diese Momente und diese Orte sind, wo man zur Ruhe kommt; wo man in der Stille ist und in sich hineinhören kann. Ich habe das über die letzten Jahre und speziell in den letzten Monaten für mich neu festgestellt, wie bedeutsam diese Orte sind. Orte, wo man bei sich sein kann, weil nicht alles wuselt; weil nicht alles voller Screens ist; weil nicht alles voller Anfragen und so ist.

Luisa Neubauer

"Wir brauchen Kraftzentren wie Kirchen, um in der hektischen Welt Ruhe und Erdung zu finden."

Für manche Menschen ist dieser Ort eine Kirche, für andere eine Synagoge, eine Moschee oder das Fußballstadion. Wir müssen zwischen diesen Kraftzentren nicht diskriminieren, aber wir brauchen sie. Das ist offensichtlich.

DOMRADIO.DE: Sie sind evangelische Christin. Welche Rolle spielt die christliche Tradition und die Bibel für Fridays-for-Future?

Neubauer: Ich finde, es wäre anmaßend, die Frage für die ganze Bewegung zu beantworten. Sie ist so groß. Ich kann da nur für mich sprechen. Was mir Kraft gibt, ist eine Art Erdung in die Welt und da hängt für mich etwas Spirituelles dran. Wie fühle ich mich mit der Erde verbunden? Wie sehr verstehe ich mich als mit der Erde eins und erkenne das an?

"Fridays for Future"

Anstatt freitags in die Schule oder Universität zu gehen, treibt es junge Anhänger der "Fridays for Future"-Bewegung  weltweit auf die Straße. Sie fordern von ihren jeweiligen Regierungen eine bessere Klimapolitik.

Luisa Neubauer von Fridays for Future legt für den alternativen Klimastreik Protestplakate für den Klimaschutz aus / © Kay Nietfeld (dpa)
Luisa Neubauer von Fridays for Future legt für den alternativen Klimastreik Protestplakate für den Klimaschutz aus / © Kay Nietfeld ( dpa )

Wenn wir unsere Lebensgrundlagen ausbeuten, beuten wir auch immer uns selbst aus. Was ich ausatme, atmet der Baum ein. Die Erde ist ein großes Miteinander. Das spielt für mich eine Rolle. Das Christentum, die Bibel oder die Rolle von Jesus, findet bei mir woanders statt. Das Schöne ist, das Religion uns ein Angebot von Spiritualität macht. Ein Angebot zu nehmen, was allen für sich Kraft gibt.

DOMRADIO.DE: Der biblische Begriff Schöpfung spielt auch für die "Fridays-for-Future" Bewegung eine Rolle.

Neubauer: Auf jeden Fall. Sehr viele Glaubensrichtungen nehmen immer wieder Bezug auf die Natur. Schöpfung heißt es Christentum. Die griechische Mythologie spricht von Gaia. Gemeinsam ist all diesen Vorstellungen, dass wir uns in unserem Schaffen auf der Welt verorten, in unserem einzigen Zuhause, das wir alle haben, von dem wir alle abhängen. Das ist nichts Neues. Das sehen wir als tausend Jahre alte Tradition, wo immer Menschen zusammenkommen.

DOMRADIO.DE: Sie fahren gleich nach Münster, um dort über Klimawandel und Frieden zu sprechen. Inwieweit gefährdet der Klimawandel den Frieden in der Welt?

Neubauer: Man kann das konkret machen. Ohne geschützte Lebensgrundlagen werden wir auf der Welt keinen Frieden finden können. Andersherum sehen wir, dass gerade das, was Konflikte schürt, auch die Klimakrise vorantreibt. Da gibt es mannigfaltige Zusammenhänge.

Als Klimabewegung ist es wichtig, dass wir uns auch immer als Friedensbewegung verstehen. Wir sind bekannt, weil wir Konflikte austragen, aber hinter diesen Konflikten steht immer die Aussicht auf Frieden. Das gilt auch für die Politik. Jede Art von Klimapolitik ist immer auch eine Art von Friedenspolitik. Und wieder andersherum: Jeder Moment, in dem über Frieden verhandelt wird, ist auch ein Moment, in dem über Lebensgrundlagen und Zukünfte verhandelt wird.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR