NRW-Innenminister: Gefährdungslage durch Salafismus weiterhin hoch

Neue Aktionsformen

Die islamistischen Hassprediger von einst treten kaum noch öffentlich in Erscheinung. Doch das bedeutet keinen Stillstand in der Salafismus-Szene. Das zweite Lagebild für NRW macht deutlich: neue Aktionsformen entstehen, etwa Hilfsorganisationen.

Das Wort "Salafist" auf einem Buchrücken / © Christoph Schmidt (dpa)
Das Wort "Salafist" auf einem Buchrücken / © Christoph Schmidt ( dpa )

Trotz der Schwächung islamistisch-terroristischer Gruppierungen im Ausland sieht das NRW-Innenministerium weiterhin eine hohe Gefährdungslage im Zusammenhang mit islamistisch motiviertem Terrorismus. Die Bedrohung gehe dabei von verschiedenen Organisationen, Netzwerken und Einzeltätern aus dem sogenannten dschihadistischen Salafismus aus, heißt es im zweiten Lagebild Salafismus, das der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags vorlegen will.

Starker Anstieg in NRW

Die Anzahl der bekannten Anhänger extremistisch-salafistischer Gruppierungen ist dem Lagebild zufolge in NRW in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Waren es im Jahr 2013 rund 1.500, so beziffert der Bericht die Zahl mit Stand von Oktober 2019 auf 3.100 Menschen. Das Innenministerium stufte von diesen Menschen 229 als Gefährder ein. Auch wenn in NRW ein langsamerer Anstieg als im Bundesvergleich zu verzeichnen sei, müsse ein besonderes Augenmerk auf das große Potenzial jugendlicher gewaltorientierter Salafisten gelegt werden, hieß es. Die Aktivitäten von Frauen erstreckten sich vor allem auf soziale Medien und private Räume. Von den dem Verfassungsschutz bekannten Szeneangehörigen seien 560 beziehungsweise 18 Prozent weiblich.

Deutsche Rückkehrer aus den Kampfgebieten, unter ihnen auch radikalisierte und traumatisierte Kinder und Jugendliche sowie Frauen, und ein kleiner Teil der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak stellten ein weiteres Gefahrenpotenzial dar, hieß es in dem Bericht. Ein erstes "Lagebild Salafismus" war für NRW im Jahr 2018 erstellt worden.

Neue, bislang unbekanntere Akteure rückten nach

Von den 46 sogenannten "Hasspredigern", die mit Stand von Oktober 2019 beobachtet würden, sei nur ein kleiner Teil in der jüngsten Vergangenheit öffentlich in Erscheinung getreten. Aufgrund zahlreicher behördlicher Maßnahmen verschwänden die einstmals bekannten Akteure wie Pierre Vogel, Bernhard Falk oder Abu Dujana in den Hintergrund. Neue, bislang unbekanntere Akteure rückten nach. Das Lagebild verzeichnet für NRW einen Umbruch beziehungsweise eine Fragmentierung der extremistisch-salafistischen Szene.

Zahlreiche Hauptakteure befänden sich in Haft, zudem wirkten sich auch Strafverfahren, Vereinsverbote, das Ende der Missionierungskampagne "Lies!" oder Beobachtungen einzelner Moscheevereine auf die Szenestrukturen aus. Straßenmissionierungen fänden kaum noch statt. Auch die Bedeutung klassischer Anlaufpunkte wie Moscheevereine nehme ab, hieß es. Von den bis zu 1.000 Moscheevereinen in NRW werden dem Bericht zufolge insgesamt 118 Moscheen vom Verfassungsschutz beobachtet. 69 von ihnen werden als salafistisch beeinflusst eingeschätzt. Akteure zögen sich vermehrt in private Räumlichkeiten zurück.

Selbst ernannte Hilfsorganisationen und Netzwerke

Gegenwärtig wachse die Bedeutung selbst ernannter Hilfsorganisationen und Netzwerke im Bereich der Gefangenenhilfe. Diese dienten dazu, ein großes Anhängerpotenzial zu binden und Gelder für die Szene zu sammeln, heißt es in dem Lagebild. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden sei mittlerweile von zweistelligen Millionenbeträgen in NRW auszugehen. Das Innenministerium spricht hier von einem bedeutenden und stark wachsendem Aktionsfeld und nennt für den Bereich der Hilfsorganisationen unter anderem Ansaar International und "World Wide resistance-Help" (WWR-Help) mit einer intensiven Zusammenarbeit mit Akteuren der extremistisch-salafistischen Szene.

Netzwerke der sogenannten Gefangenenhilfe dienten vor allem dazu, Reue bei inhaftierten Rückkehrern wie "IS"-Kämpfern zu verhindern, den Erfolg von Resozialisierungsprogrammen zu verhindern und die Menschen weiter an die Szene zu binden, hieß es.

Der Bericht verweist zum Abschluss auf Beratungen für Aussteiger oder Angehörige. Das Angebot von "Wegweiser" werde intensiv nachgefragt, hieß es. Bis vergangenen Oktober hatten über 920 Betroffene seit Start des Programms im Jahr 2014 das Angebot angenommen. 20 Anlaufstellen sind in NRW mittlerweile in Betrieb.


Quelle:
epd