Plötzlich standen Polizeibeamte im Pfarrhaus der Gemeinde Nuestra Senora de Fatima und begannen das Verhör. Priester Luis Eduardo Benavides musste Auskunft geben über seine Pläne für die nächsten Tage. Erkennungsdienstliche Fotoaufnahmen folgten. So jedenfalls steht es im Bericht der Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity Worldwide, aus dem das regierungskritische Portal "Confidencial" in dieser Woche zitiert.
Demnach sollen mindestens zehn nicaraguanische Priester gezwungen worden sein, Fotos und Details ihrer Planungen in den jeweiligen Pfarreien an die Polizei zu schicken. Seitens der Behörden seien daraufhin "Vorsichtsmaßnahmen" erlassen worden. Dazu zählt offenbar auch ein Bewegungsverbot: Den betroffenen Geistlichen ist es untersagt, ohne Erlaubnis durch die Polizei in eine andere Gemeinde oder ein anderes Departement zu reisen.
Von dem neuen Vorgehen hat Pater Luis Eduardo Benavides dann auch erfahren. Er sei "darüber informiert worden, dass die Polizei ihn von nun an jeden Dienstag besuchen würde, um ihn zu befragen und zu fotografieren", heißt es bei "Confidencial" weiter. Andere Medien berichten, es sei den Geistlichen untersagt, "für Nicaragua zu beten". Ihre Gottesdienste müssten sie sich von der Obrigkeit genehmigen lassen. Die entsprechenden Instruktionen seien aus Managua erfolgt, teilte die Polizei mit.
Flucht nach Honduras
Dass der Fall Benavides bekannt wurde, liegt auch daran, dass der Geistliche Konsequenzen zog. Er floh nach dem Polizeibesuch aus Angst vor einer Inhaftierung nach Honduras. Das repressive System des sozialistischen Präsidenten Daniel Ortega verschärft damit die ohnehin schon enorme Unterdrückung der katholischen Kirche, unabhängiger Medien und Nichtregierungsorganisationen.
Vor wenigen Tagen wurde offenbar der Zugang zu regierungskritischen Portalen im Internet gesperrt. Die Regierung vereidigte jüngst Tausende bewaffnete paramilitärische Kräfte, die neue Proteste oder Aufstände schon im Keim ersticken sollen. Zudem wurde seit Jahren Tausenden Nichtregierungsorganisationen und Hilfsorganisationen die rechtliche Grundlage entzogen. Sie mussten sich entweder selbst auflösen oder wurden zwangsweise liquidiert, ihr Vermögen beschlagnahmt.
Selbst die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) geriet in das Visier Managuas. Ihr "Vergehen": In ihrem jüngsten Bericht über die Länder mit der größten Hungersnot weltweit taucht auch Nicaragua auf. Vizepräsidentin Rosario Murillo, zugleich Lebensgefährtin Ortegas, erklärte erbost, in Nicaragua gebe es keinen Hunger. Zumindest gibt es nun keine FAO-Vertretung mehr, die darüber berichten könnte. Sie wurde geschlossen.
Proteste begannen vor sieben Jahren
Der Feldzug gegen die NGOs begann im Jahr der Massenproteste 2018. Damals waren zunächst Studenten und Umweltaktivisten auf die Straße gegangen und hatten gegen eine Brandrodung in einem Naturschutzgebiet demonstriert. Öffentlich vermuteten sie damals, dass die so "gewonnenen" Grundstücke an Besitzer gingen, die der Familie Ortega nahestehen. Aus den Studentenprotesten entwickelten sich - befeuert durch Pläne für Steuererhöhungen und Rentenkürzungen - landesweite Massendemonstrationen. Plötzlich stand die Macht des gesamten linken Systems in Frage.
Die reagierte mit brutaler Gewalt, ließ auf die Demonstranten schießen. Mehrere Kirchenvertreter erhoben die Stimme und öffneten die Gotteshäuser, damit sich die überwiegend jungen Demonstranten vor dem Kugelhagel schützen konnten. Fortan geriert auch die katholische Kirche ins Visier der Machthaber. Priester und Bischöfe wurden verhaftet, Ordensgemeinschaften aufgefordert, das Land zu verlassen. Das Ergebnis: Heute gibt es kaum noch eine zivilgesellschaftliche Stimme im Land, regierungskritische Medienhäuser haben ihren Sitz ins Exil verlegt.