DOMRADIO.DE: Warum ist Ihnen die Mitarbeit in der katholischen Elternschaft wichtig?
Anne Embser (Bundesvorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands): Bildung und Bildungsgerechtigkeit liegen mir besonders am Herzen. Da sehe ich gute Möglichkeiten mich über mein Engagement in der katholischen Elternschaft einzubringen und zu unterstützen, dass es mehr Bildungsgerechtigkeit in unserem Land gibt.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie sich eine Schule backen könnten, wie sähe die aus? Was wünschen Sie sich von einer guten Schule?
Embser: Zu einer guten Schule gehören auf jeden Fall qualifizierte, aber auch motivierte Lehrkräfte, damit es eine gute Unterrichtsqualität gibt. Außerdem sollte die Lernumgebung für die Schülerinnen und Schüler angenehm sein, damit auch ein gutes Schulklima herrscht. Das finde ich auch ganz wichtig. Was uns natürlich auch besonders auch am Herzen liegt als katholische Elternschaft, ist die Mitwirkung der Elternschaft, also aktive Eltern.
DOMRADIO.DE: Jetzt steckt das Bildungssystem in einer tiefen Krise, sagt die Bundesbildungsministerin. Wäre da aus Ihrer Sicht nicht mal eine Zeitenwende angebracht?
Embser: Definitiv steckt unser Bildungssystem in einer tiefen Krise. Zeitenwende, das wird häufig damit verbunden, dass es viel Geld geben soll. Da wird dann von einem "Wumms" und einem "Doppel-Wumms" gesprochen. Sicherlich wäre das klasse, wenn wir auch 100 Milliarden als "Wumms" für die Bildung bekämen. Aber ich denke, das ist ein bisschen geträumt.
Was ich aber ganz wichtig fände, in Richtung Zeitenwende, wenn wir uns mal alle gemeinsam an einen Tisch setzen könnten. Das heißt, dass sich alle, die mit Bildung zu tun haben, gemeinsam austauschen, um wirklich gemeinsam auf allen Ebenen zusammenzuarbeiten.
DOMRADIO.DE: Für die katholische Elternschaft ist der Religionsunterricht essentiell. Immer wieder im Gespräch ist aber ein ökumenischer Religionsunterricht, also evangelisch, katholisch oder christlich. Wie sehen Sie das?
Embser: Wir als katholische Elternschaft setzen uns grundsätzlich für den Erhalt des katholischen Religionsunterrichts ein. Wenn Sie mich jetzt aber nach meiner persönlichen Meinung fragen, denke ich, es ist auf Zukunft sinnvoll, vermehrt über einen christlichen Religionsunterricht nachzudenken, weil an den Schulen, auch an den katholischen Schulen, vielfach nicht mehr so viele katholische Kinder sind.
DOMRADIO.DE: Schließungen katholischer Schulen machen immer wieder Schlagzeilen. 2018 hatte zum Beispiel das Erzbistum Hamburg angekündigt, bis zu acht katholische Schulen schließen zu wollen. In der Bonner Südstadt wird die bischöfliche Liebfrauenschule auslaufen, so heißt es offiziell. Sind das Schlagzeilen, wo bei Ihnen die Alarmglocken schrillen?
Embser: Auf jeden Fall! Denn meiner Meinung nach sind Schulen Orte von Kirche. Ich denke, dass die Bistümer gut beraten sind, wenn sie sich nicht aus Schule herausnehmen, das heißt wenn sie Schulen weiterhin erhalten.
Denn unsere ehemalige Vorsitzende Marie-Theres Kastner hat im Zuge der Schulschließungen 2018 in Hamburg einen Satz geprägt: Wer heute Schulen schließt, predigt morgen vor leeren Kirchenbänken. Ich finde, das trifft es sehr gut. Ich sehe unsere katholische Kirche auch in der Verantwortung gegenüber der Zivilgesellschaft. Es geht da auch um Wertevermittlung.
DOMRADIO.DE: In dieser Woche wurden aktuelle Zahlen zu Gewalt an deutschen Schulen veröffentlicht. Um mal eine Zahl zu nennen, in Berlin gibt es an jedem Schultag fünf Polizeieinsätze. Wie schauen Sie auf solche Entwicklungen?
Embser: Mit großer Sorge! Ich denke, da spiegelt sich wieder, was wir insgesamt in unserer Gesellschaft beobachten und das finde ich sehr bedenklich. Wenn ich da ein Positivbeispiel nennen darf, an der bischöflichen Marienschule in Mönchengladbach, ein bischöfliches Gymnasium, das auch meine Söhne besucht haben, gibt es seit diesem Schuljahr ein Unterrichtsfach, das nennt sich "Zivilcourage". Das können die Schülerinnen und Schüler ab Klasse neun als Wahlpflichtfach wählen. Das, finde ich, setzt ganz deutlich einen Gegenpunkt.
DOMRADIO.DE: Und das wäre natürlich auch für staatliche Schulen denkbar, oder?
Embser: Auf jeden Fall!
Das Interview führte Tobias Fricke.