HIMMELKLAR: Wie ist die Corona-Lage im Bistum Hildesheim?
Heiner Wilmer SCJ (Bischof von Hildesheim): Die Lage ist sehr unterschiedlich. Wir haben von der Bistumsleitung her den Dechanten vor Ort die Oberhoheit gegeben. Die Vorgaben sind so, dass wir darum bitten, dass wir wieder mit den Gottesdienstfeiern beginnen. Manche beginnen mit Wortgottesdiensten, andere mit der Eucharistiefeier, andere sind sowohl als auch unterwegs und auch in neuen Formen.
Was ich ganz spannend finde ist, dass sich neue Formen entwickelt haben, zum Beispiel WhatsApp-Gruppen zum Bibelteilen, es gibt Formen von ignatianischen Exerzitien im Internet. Ich war vorgestern Abend noch bei einer Gruppe, die sich zum ersten Mal live getroffen hat - über 50 Leute in einer großen Kirche verteilt, die über zwei Monate unterwegs waren, geistlich unter der Frage: Was bedeutet der Glaube mir, und inwieweit kann ich persönlich aus diesem Glauben leben? Das finde ich schon sehr spannend, wie auch neue Wege beschritten werden.
HIMMELKLAR: Gottesdienste entwickeln sich dabei mehr und mehr zum Infektionshort. Haben Sie die Befürchtung, dass das auch bei Ihnen passieren kann?
Wilmer: Doch, eine gewisse Sorge habe ich persönlich schon. Wir achten darauf, dass die Vorgaben eingehalten werden. Also, dass es einen Abstand gibt von 1,50 m, dass empfohlen wird, einen Mundschutz zu tragen, und dass auch die Priester beim Austeilen der heiligen Kommunion sich noch einmal die Hände desinfizieren, und auch hier einen Mundschutz tragen.
Also natürlich habe ich eine Sorge, dass wir hier nicht zum Hotspot werden. Das gilt vor allem den älteren Menschen und auch jenen, die zu den Risikogruppen und den Hochrisikogruppen gehören. Das sage ich landauf landab, weil der Schutz des Lebens im Zentrum der Botschaft Jesu steht. Wir haben auch hier treu zu sein dem Evangelium. Jesus sagt: “Ich will, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Dazu gehört die körperliche Gesundheit, wie auch natürlich die seelische Gesundheit und die spirituelle Hilfe. Es gilt hier ein gutes Maß zu finden und umsichtig zu sein.
HIMMELKLAR: Onlinegottesdienste haben ja in der letzten Zeit eine relativ große Rolle gespielt, genau in dem Zusammenhang. Da haben Sie aber zu Pfingsten gesagt: Wir stellen das ein. Wie ist es dazu gekommen?
Wilmer: Jein, das stimmt nicht ganz. Wir haben nur gesagt, dass wir den Onlinegottesdienst im Dom einstellen. Die Onlinegottesdienste werden im Grunde genommen komplett weitergeführt. Wir haben in vielen Pfarreien Onlinegottesdienste und Onlinegebetsgruppen. Die digitalen Möglichkeiten, die wir bisher genutzt hatten, laufen weiter. Wir haben nur gesagt im Mariendom zu Hildesheim stellen wir zunächst mal den Gottesdienst als Onlinegottesdienst ein, damit die Gläubigen doch wieder Mut haben und mit Zuversicht in die Pfarreien gehen und vor Ort den Glauben auch wieder in der Gemeinde leben.
Aber wie gesagt, das ist ein Schritt. Wir werden das auswerten. Ich bekomme im Moment viele Briefe, Anfragen und E-Mails, die mich persönlich auch bitten, den Gottesdienst wieder im Dom digital übertragen zu lassen. Wir werden das auswerten und schauen wie es weitergeht.
HIMMELKLAR: Ich glaube, dass es grundsätzlich ein Findungsprozess in der Gesellschaft ist. Keiner weiß so wirklich wie der richtige Weg ist, den wir gehen müssen.
Wilmer: Ja, ich sehe das genauso. Es ist ein Frage-und-Antwort-Spiel. Wir sind mit vielen Menschen in Kontakt und Dinge, die wir vor zwei Wochen so gesehen haben verändern sich. Für mich ist wichtig, dass wir hier keine steifen Erklärungen geben und sagen, dass das in Beton gegossen ist. Das ist es eben nicht, sondern für mich ist ein Schlüssel mit den Menschen vor Ort, in der Gemeinde, in den jeweiligen Einrichtungen, wie Altenheimen und Krankenhäusern, und auch in den katholischen Hochschulgemeinden, zu sprechen. Ich war gestern Abend noch in einer Videokonferenz mit 25 Studierenden aus der KHG in Göttingen.
Mir ist es wichtig, mit all diesen vielen Menschen in Kontakt zu bleiben, um gemeinsam zu schauen, wie wir weiterkommen, weil ich nicht die Weisheit gepachtet habe. Die Situation ist völlig neu und ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn wir im Gespräch bleiben, wir schon einen Weg finden werden an den schwierigen Klippen von Corona und Covid-19 vorbeizukommen.
HIMMELKLAR: Bischof Wilmer, was bringt Ihnen Hoffnung im Moment?
Wilmer: Mir bringt der Glaube Hoffnung. Ich merke in Corona, dass der Glaube trägt. Die eigentliche Hoffnung ist Jesus Christus, wenn er schon bei seinem Eintritt in die Welt bei schwierigen Fragen und Herausforderungen weiß: Der Vater hält mich. Wenn er auf den Psalm verweist, und auch den Jüngern sagt: “Niemand fällt tiefer als in die Hände Gottes.“ Und wenn ich weiß, dass ich grundsätzlich getragen bin und nicht ins Dunkel oder in einen fürchterlichen Abgrund falle, dann kann ich auch Trost erfahren. Keine Vertröstung, aber einen Trost, der mich stark macht, der dafür sorgt, dass ich die Ärmel hochkrempeln kann und anpacken kann, um mich einzumischen in die Belange dieser Welt, auch der Kirche, um für Menschen unterwegs zu sein, Schulter an Schulter, wie die Emmaus-Jünger, einem gemeinsamen Ziel entgegen, mit einem brennenden Herzen. Das ist es. Das Feuer des Heiligen Geistes zu leben und das entfachen zu lassen. Und diese Dynamik gibt mir persönlich sehr viel Hoffnung.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.
Das Interview ist Teil des Podcasts Himmelklar – ein überdiözesanes Podcast-Projekt koordiniert von der MD GmbH in Zusammenarbeit mit katholisch.de und DOMRADIO.DE. Unterstützt vom Katholischen Medienhaus in Bonn und der APG mbH. Moderiert von Renardo Schlegelmilch.