DOMRADIO.DE: Dass in Rom hohe katholische Würdenträger des Vatikans mit deutschen Bischöfen und Laien zusammentreffen und über die Zukunft der Kirche in Deutschland reden, wäre ein Novum?
Karin Kortmann (Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, ZdK): In dieser Zusammensetzung wäre es in der Tat ein besonderes Ereignis. Als ZdK haben wir sowieso regelmäßige Gespräche, auch im Vatikan, so wie die Bischöfe es noch einmal viel intensiver aufgrund ihrer Verfasstheit mit den vatikanischen Stellen tun.
Aber in der Tat ist es schon etwas Besonderes, wenn die Deutsche Bischofskonferenz sagt: "Wir nehmen die Einladung aus Rom zu den Gesprächen auf. Aber wir verweisen auf ein Gremium, das gemeinsam Reformprozesse vertritt, nämlich das Präsidium des Synodalen Wegs". Und darüber dürfen wir schon erfreut sein. Ich sitze allerdings noch nicht mit gepackten Koffern da, denn noch steht die Antwort aus Rom aus, ob sie auch bereit sind, uns in dieser Konstellation zu empfangen.
DOMRADIO.DE: Was würde es denn bedeuten, wenn Sie mitfahren würden, wenn es tatsächlich klappen würde?
Kortmann: Dann werden wir darüber reden, was das Volk Gottes in Deutschland, nämlich Priester und Laien gleichermaßen, bewegt und wo wir Reformansätze für notwendig erachten, um das lebendige Christentum auch weiterführen zu können. Wir werden mit ihnen über strukturelle Fragen reden, wir werden mit ihnen darüber reden, wie wir uns weltkirchlich einordnen.
Aber wir werden auch das Selbstbewusstsein von Männern und Frauen in Deutschland sehr klar formulieren und dass hohe Erwartungen da sind, dass sich auch die römischen Mauern etwas mehr verschieben und nicht so starr und bunkermäßig daherkommen, wie wir das in den vielen, vielen letzten Jahrzehnten erlebt haben.
DOMRADIO.DE: Die Bischöfe vertreten natürlich die Geistlichen in Rom. Sie vertreten das Kirchenvolk. Wie können denn diese Rollen harmonieren?
Kortmann: Auch die Bischöfe vertreten das Kirchenvolk, das ist einfach so. Aber wir haben in vielen Bistümern, in vielen Gemeinden Aufbruchstimmung erlebt, wo wir sagen, ja, da ist ein Hunger danach, sich neu zu begegnen, neue Kooperationen einzugehen, die Rollen auch ein Stück weit zu hinterfragen. Muss immer der Priester vorneweg stehen oder haben die Laien nicht die gleichen Gaben und Voraussetzungen, um in Form von Laienpredigten beispielsweise auch das Wort Gottes zu verkünden?
Als Verantwortungsgemeinschaft mit Priestern, Bischöfen, Laien können wir etwas dafür tun, dass das Wort Gottes auch nach wie vor Gehör findet und dass es für uns auch ein Stabilisator in unsicheren Zeiten ist. Wir haben an so vielen Stellen festgestellt, gerade jetzt in diesen Zeiten der Corona- Pandemie, wie wichtig es ist, dass Tröstendes, Seelsorgerisches angeboten wird, dass Trost gespendet wird - sowohl über Seelsorger wie aber auch über Seelsorgerinnen.
All das zeigt doch, dass wir uns in dieser Aufteilung zwischen Geschlechtern oder der Frage "Wer ist geweiht? Wer ist nicht geweiht?" damit selber ein Bein stellen, neue Wege zu gehen. Und jetzt sind wir bei dem Synodalen Weg ja so weit, dass wir auch in der nächsten Woche mit den Regionalkonferenzen den zweiten, wichtigen Etappenschritt gehen, uns über viele Fragen verständigen können und ganz bewusst auch die Machtfrage in der Kirche nicht außen vorlassen.
DOMRADIO.DE: Das heißt?
Kortmann: Wir fragen, wie wir zum Beispiel Machtkonstellationen abbauen und zu mehr Vertrauen, Transparenz und Kooperation kommen. Ich bin da auch sicher, dass die römischen Ohren nicht geschlossen sind. Aber wir kommen auch nicht weiter, wenn wir nur einen Einheitsbrei auf Weldkirchen-Ebene, der für alle eine Gültigkeit hat, immer im Blick haben, sondern Kirche ist wie alle anderen lebendigen Gemeinschaften von Ort zu Ort, von Land zu Land, von Voraussetzungen und Bedürfnissen her unterschiedlich.
Und da sollten wir das Vertrauen in uns alle haben, dass wir das auch gemeinsam schaffen. Deswegen würde ich mich sehr freuen, wenn es uns gelingt, wenn der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Bätzing, sein Stellvertreter, Bischof Bode, sowie Thomas Sternberg und ich vom ZdK dort gemeinsam nach Rom fahren dürften, um diese Anliegen auch selbst noch einmal vortragen zu können.
DOMRADIO.DE: Aber jetzt ist es ja nicht so, dass die deutschen Bischöfe in einer Sprache reden. Da gibt es auch sehr unterschiedliche Auffassungen von katholischer Kirche. Die einen setzen ganz und gar auf Kleriker, die anderen eher auf Laien. Wie kann man denn sowas bei einem Treffen in Rom unter einen Hut bringen?
Kortmann: Indem man nach dem Mehrheitsprinzip vorgeht. Die Abstimmungen, die wir bisher dazu bei der ersten Synodalenversammlung des Synodalen Weges hatten, haben eine klare mehrheitliche Auffassung vertreten, dass Veränderung angesagt ist und dass das Festhalten an Altem, auch Bewahrtem, sich dennoch in einem Veränderungsprozess erneuern muss.
Diejenigen, die doch das Wort für - ich sage mal - den alten Klerikalismus erhoben haben, haben dort keine Mehrheiten gefunden. Insofern ist das Ganze ein Prozess, und auch innerhalb eines Prozesses stehe ich jedem zu, dass er sich mit seinen Meinungen und Auffassungen verändern kann. Wenn wir alle nur einer Meinung wären, würde auch ein Stück weit Reibung fehlen, um etwas Neues zu entwickeln. Es ist nicht betrüblich, dass es Menschen gibt, die eine andere Auffassung vertreten, so ist das in großen Gemeinschaften. Das erleben wir in der Politik, bei Gewerkschaften, und wir erleben es auch in der Kirche.
Entscheidend ist, dass wir einander zuhören und die Argumente des anderen nachvollziehen können, um dann zu fragen, welcher der bessere Weg ist und wie wir uns gut begegnen können, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen. Es hört sich vielleicht ein bisschen lyrisch an, aber der Diskurs ist das Entscheidende, und ein Dissens braucht die Verständigung, das wissen wir alle. Und da machen die Bischöfe gerade sehr, sehr viele Fenster und Türen auf. Da kann man nur dankbar sein.
DOMRADIO.DE: Jetzt haben Sie gerade von Mehrheiten gesprochen. Als Frau sind Sie ja, wenn mit zu diesem Treffen fahren, eindeutig in der Minderheit. Wie können Sie sich denn zwischen all diesen katholischen Männern durchsetzen?
Kortmann: Fragen Sie mich mal, wie ich die letzten 40 Jahre gelebt habe. Genauso. Das tut mir nicht weh. Ich glaube sogar, es hat mich eher gestählt, mich in dieser Kirchen-Männerwelt zurechtzufinden. Ich bin aber auch nicht diejenige, die darunter leidet, dass ich vielleicht nur eine Frau unter drei Männern bin, sondern ich sehe das auch als ein Privileg an, dass man mir zutraut, dass ich die Interessen des Geschlechts der Frauen auch dort gut vertreten kann.
Ich habe nicht das Gefühl, dass ich da in eine starre Frauenrolle gedrückt werde oder dass man von mir erwartet, dass ich mit einem schwarzen Schleierchen die vatikanischen Türen durchschreite, weiß Gott nicht. Also selbstbewusste Frauen sind im Vatikan, glaube ich, auch gern gesehen und keine Seltenheit.
Das Interview führte Heike Sicconi.