Am Freitag ist Schluss. Nach 16 Jahren endet dann für Notker Wolf seine Zeit als Abtprimas mit Sitz in Rom und damit als oberster Repräsentant von mehr als 20.000 Ordensleuten, Männern und Frauen, weltweit. Die anstrengenden, wenn auch erlebnisreichen Reisen werden dem 76-Jährigen vermutlich nicht abgehen. Mit 300.000 Flugkilometern jährlich konnte er es mit jedem international agierenden Manager aufnehmen. Nun wird er wieder in vertraute, ruhige Gefilde zurückkehren, nämlich ins Kloster Sankt Ottilien. Die oberbayerische Erzabtei im Kreis Landsberg am Lech ist ihm bestens vertraut - war er doch von 1977 bis 2000 deren Erzabt.
"RockeNder Abt"
Ein Teil seines Umzugsgutes sei schon dort, sagte er jüngst der "Münchner Kirchenzeitung" und fügte hinzu: "Es wird ein fließender Übergang." Besonders freut er sich, wieder mit seinen Mitbrüdern zusammen zu sein. Auch die dortige Landwirtschaft liegt ihm am Herzen, hat Wolf doch früher selbst geholfen, so manches Kälbchen ans Licht der Welt zu ziehen. Vor allem aber hofft er wieder mehr Zeit für die Musik zu haben, denn sie sei ein "Auszug meines Herzens".
Als "rockeNder Abt" an der E-Gitarre wurde Wolf einem großen Publikum bekannt. Künftig will er sich mehr Zeit für die Band "Feed Back" nehmen, einer Formation aus früheren Schülern des Gymnasiums in Ottilien. Auch die Querflöte begleitet ihn seit Kindheitstage, ob für barocke Weisen oder "Jethro Tull"-Balladen.
Erlebnis auf dem Dachboden
Als Sohn eines Schneiders kam Werner Wolf im Kriegsjahr 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu zur Welt. Die Familie war gut katholisch, aber nicht übermäßig fromm. Als Junge war er Messdiener, aber sein eigentliches Erweckungserlebnis hatte er auf dem Dachboden. Dort fand der Oberrealschüler ein Missionsheft. Die Berichte weckten seine Sehnsucht nach Freiheit. Als Missionar wollte er weg von der ihn so behütenden Mutter und seine "innige Beziehung zu Jesus Christus" in Einklang bringen.
Mit Hilfe des Ortspfarrers schaffte es der gute Schüler ans Gymnasium der Missionsbenediktiner in Sankt Ottilien. Nach dem Abitur 1961 trat er in den Orden ein. Als er den Namen "Notker" wählte, meinte ein Mitbrüder: "Um Gottes willen, schon der fünfte Notker." Denn vier Kandidaten vorher hatten die Erzabtei wieder verlassen.
Erzabt mit 37
Sein Studium der Philosophie absolvierte der Benediktiner an der Päpstlichen Hochschule Sant'Anselmo in Rom; in München schrieb er sich für Theologie und Naturwissenschaften ein. Die Priesterweihe empfing er 1968. Zwei Jahre später lehrte Wolf Naturphilosophie in Sant'Anselmo, die Promotion mit einer Arbeit über das zyklische Weltmodell der Stoa folgte. Als 1977 in Ottilien ein neuer Erzabt gesucht wurde, fiel die Entscheidung auf den erst 37-Jährigen. 2000 rief dann Rom - und damit die Verantwortung für alle Benediktiner weltweit.
Häufiger Talkshowgast
Schwere Aufgaben schrecken ihn nicht. Das Renovieren alter römischer Gemäuer oder Besuche von China oder Nordkorea - Wolf macht es einfach. In beiden Ländern gelang es ihm, Krankenhäuser zu errichten. Zur Erholung reicht Wolf ein einziger Moment. Bleibt Zeit und findet sich irgendwo eine Bank, fällt er sofort in Tiefschlaf. In Talkshows ist der einstige Abtprimas, der mehrere Sprachen spricht, stets ein gern gesehener Gast. Auch seine Bücher werden gelesen, wobei er mit seinen "ketzerischen Gedanken zu Deutschland" für größere Aufregung sorgte.
"Ändern, was zu ändern ist"
Wolf liebt klare Worte und Zuspitzungen. Mit Papst Franziskus habe eine neue "Denke" Einzug gehalten, sagte er der Bistumszeitung in Münster. Doch seien jetzt auch die Gläubigen gefordert, mehr Eigenverantwortung zu zeigen. Ob in Rom, weltweit oder bald in der Heimat, bei Wolf "läuft" es. So heißt auch sein neues Büchlein mit 100 seiner markantesten Zitate. Sein Rat: "Lächeln Sie dem Leben entgegen. Und nehmen Sie es dennoch nicht leicht." Man solle ändern, was zu ändern ist - "und mit allem anderen schließen Sie am besten Frieden". Denn: "Optimisten duschen unter Wolken, wo andere das Gefühl haben, im Regen zu stehen."