NS-Gegner Bischof Sproll versagte im Umgang mit sexuellem Missbrauch

Vorbild und Vertuscher

Der frühere Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll trat dem NS-Regime mutig entgegen. Der Autor Karlheinz Heiss entdeckte in Diözesanarchiven Hinweise auf Fehlverhalten des 1949 gestorbenen Bischofs mit Missbrauchstätern.

Autor/in:
Norbert Demuth
Symbolbild Bischof mit Pileolus / © Grabowski Foto (shutterstock)
Symbolbild Bischof mit Pileolus / © Grabowski Foto ( shutterstock )

Laut Recherchen des Buchautors Karlheinz Heiss hat der als NS-Gegner bekannte frühere Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll (1870-1949) schwere Fehler im Umgang mit Missbrauchstätern begangen. "Bischof Sproll hat im Umgang mit sexuellem Missbrauch versagt! Er hat durch sein Verhalten weiteren Missbrauch ermöglicht", schreibt Heiss in seinem jetzt erschienenen Buch "Missbrauch ... und wie war das bei Sproll?".

Sproll war von 1927 bis 1949 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Er gilt als entschiedenster Nazi-Gegner unter den deutschen Bischöfen der NS-Zeit. Für Sproll läuft seit 2011 ein Seligsprechungsverfahren.

"Keine Empathie" für Missbrauchsbetroffene

Heiss, Mitglied der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP), betonte mit Blick auf seine Buchvorstellung an diesem Mittwochabend in Rottenburg, sein Fazit sei niederschmetternd: Sproll habe keine Empathie für Missbrauchsbetroffene gezeigt. Missbrauchspriester seien versetzt, "anderen Diözesen angeboten" oder "ins Ausland verfrachtet" worden - und hätten dann erneut Missbrauchstaten begangen.

Zu seiner Quellenlage schreibt Heiss, der nach eigenen Angaben insbesondere in den Personalakten von Priestern recherchierte: "Da die Priester, um die es geht, meist schon länger als 30 Jahre tot sind, genügt der Gang ins Diözesanarchiv, um sich selbst ein Bild zu machen."

Aufschlussreich sei beispielsweise eine durch Bischof Sproll im Mai 1942 genehmigte "Anleitung zum Vorgehen bei Missbrauch durch Priester". Die Leitlinien bestanden laut Heiss demnach darin: Gelte ein Vorwurf als bestätigt, müsse der Täter eine Pause für Exerzitien, also geistliche Einkehrtage, machen und könne danach in die Gemeinde zurück oder werde in eine andere versetzt.

Seligsprechungsverfahren seit 2011

"Sproll hat im Umgang mit Priestern, die Täter waren, versagt", heißt es im Buch, in dem Heiss mehrere Fälle beschreibt. Es sei dringend geboten, Sproll nicht nur im Lichte dessen zu sehen, was er gut gemacht habe. Sproll habe, so die Bewertung von Heiss, im Umgang mit sexuellem Missbrauch versagt. "Und das nicht aus Versehen, sondern mit vollem Wissen und nach Absprache mit dem ganzen Domkapitel", heißt es in dem Buch.

Zur Frage, ob Sproll seliggesprochen werden sollte, schreibt Heiss, die Diözese Rottenburg-Stuttgart könne zu Recht "stolz auf den Bekenner Sproll" sein. Denn die Konsequenz Sprolls im Verhalten gegenüber den Nationalsozialisten müsse man "allen Generationen als Vorbild ans Herz" legen. Im gleichen Atemzug müsse die Diözese aber "Abbitte leisten im Namen des Bekennerbischofs bei denjenigen Betroffenen, die durch den Umgang Sprolls mit Tätern einem erneuten Übergriff ausgesetzt wurden oder zumindest gefährdet waren".

Die Kirche und der Nationalsozialismus in Deutschland

Pflicht, Opfer, Vaterland: Als Hunderttausende katholischer deutscher Soldaten ab 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg zogen, vermieden die meisten Bischöfe politische Stellungnahmen. Einzig der Münsteraner Bischof Clemens August von Galen rechtfertigte den Krieg unter Verweis auf den "ungerechten Gewaltfrieden" von Versailles 1918.

Turm der St. Matthiaskirche in Berlin (shutterstock)
Quelle:
KNA