Der Antrag eines lesbischen Ehepaares auf gleichberechtigte Anerkennung als Eltern wird nun an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet, wie ein Sprecher des Oberlandesgerichts am Mittwoch in Celle mitteilte. Aus Sicht des 21. Zivilsenats fehlt im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Regelung für gleichgeschlechtliche Paare bezüglich Mutter- und Vaterschaft.
Die Frauen waren zuvor mit ihrem Antrag in erster Instanz gescheitert. Eine der beiden war mittels einer anonymen Keimzellenspende schwanger geworden. Ihre Partnerin hatte vor der Geburt des Kindes vor einem Notar erklärt, "Mit-Mutter" zu sein und Verantwortung für das Kind übernehmen zu wollen. Nach der Geburt lehnten es das zuständige Standesamt und das Amtsgericht Hildesheim jedoch ab, diese "Mit-Mutterschaft" einzutragen.
Verbrieftes Recht auf Pflege und Erziehung
Im Gerichtsbeschluss aus Celle heißt es nun: "Wie für leibliche Eltern gilt auch für Wunscheltern, dass gerade ihnen das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person, auch den Spendereltern." Der gemeinsame Entschluss beider Partnerinnen sei in Fällen einer künstlichen Befruchtung die Voraussetzung dafür, dass neues Leben entstehe. Auch ihre Partnerin wolle im Einverständnis mit der Mutter für das Kind dauerhaft Verantwortung übernehmen.
Daraus folge zugleich das in der Verfassung verbriefte Recht, die Pflege und Erziehung des Kindes wahrnehmen zu können. Die Spender der Keimzelle brächten durch die anonyme Spende demgegenüber zum Ausdruck, diese Elternstellung gerade nicht einnehmen zu wollen. Aus denselben Gründen ist nach Auffassung des Senats auch das Grundrecht des betroffenen Kindes auf Gewährleistung von Pflege und Erziehung durch seine Eltern verletzt.
Das Gericht sieht eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers, die Stellung für solche "Mit-Eltern" gesetzlich zu begründen. Es wies zudem darauf hin, dass sich vergleichbare Fragen auch im Fall einer gleichgeschlechtlichen Ehe von zwei Männern stellten.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulle Schauws forderte dringend eine Reform des Abstammungsgesetzes. Die Gerichte müssten ausbaden, was die Politik der Großen Koalition "vermasselt" habe. Eine Verhinderungspolitik in der Queer- und einer modernen Familienpolitik sei "unerträglich und untergräbt das Vertrauen in die Rolle des Parlaments".
Der Reformbedarf sei dringend, da die Ungleichbehandlung Kinder betreffe. Bei einer gleichgeschlechtlichen Ehe könne die Ehefrau der Mutter nur durch eine aufwendige und langwierige Stiefkindadoption der zweite rechtliche Elternteil des Kindes werden. Diese Regelung widerspreche dem Kindeswohl und sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz nicht vereinbar.
Auch der Lesben- und Schwulenverband forderte eine zügige Reform.
Ministerium arbeitet an Reform
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums erklärte, das Ministerium arbeite an einer solchen Reform. Die Gespräche mit dem Koalitionspartner dazu seien noch nicht abgeschlossen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im vergangenen August erklärt, dass sie bei der Reform des Abstammungsrechts eine "Mit-Mutterschaft" für lesbische Paare einführen wolle. Damit könne neben der Geburtsmutter eine weitere Frau ohne Adoptionsverfahren Mutter sein.
Nach Angaben der Gesellschaft für Freiheitsrechte wachsen bundesweit etwa 14.000 Kinder mit nicht-heterosexuellen Eltern auf. Von der rechtlichen Benachteiligung seien viele lesbische Paare betroffen, aber auch Paare, bei denen ein Partner keinen Geschlechtseintrag oder einen Divers-Eintrag habe.