DOMRADIO.DE: Ein vorläufiges Schlussdokument des Kontinentaltreffens wurde diese Woche beraten und fertiggestellt. Sie haben das Dokument aber schon kritisiert. Die Konflikte zwischen Konservativen und Progressiven würden nicht klar genug benannt werden. Wird der Konflikt schöngeredet?
Mgr. DDr. Felix Gmür (Bischof von Basel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz): Von Konflikt kann man nicht reden. Das ist das Erste. Das Zweite ist: Ich habe nicht das Dokument kritisiert, sondern nur seine Schlussfolgerungen, also die letzten zwei Seiten. Da habe ich bemängelt, dass die verschiedenen Tendenzen viel zu wenig zum Ausdruck kommen. Das wurde mittlerweile korrigiert und ist meines Erachtens jetzt gut zu Papier gebracht.
DOMRADIO.DE: Ein großes Diskussionsthema war die Frage der Frauenweihe. Bei dem Thema sprechen Sie sich für eine dezentrale Lösung aus. Wie ist so etwas möglich?
Gmür: Frauenweihe war nur ein Thema zur eigentlichen Frage: Gibt es eine Rolle der Frau in der Kirche? Und wenn ja, welche ist diese Rolle? Das ist in der Tat von Kultur zu Kultur, von Land zu Land sehr unterschiedlich. Deswegen habe ich dafür plädiert, darüber nachzudenken, ob es für diese Frage dezentrale Lösungen geben kann, zum Beispiel auf Ebene der Länder, der Sprachregionen oder zusammenhängender Kulturen wie zum Beispiel Westeuropa oder Südeuropa oder Nordeuropa.
DOMRADIO.DE: In der Schweiz haben sie mit dem dualen System Erfahrungen mit kirchlichen Sonderwegen. Kann sich der Rest der katholischen Welt da etwas abgucken?
Gmür: Das duale System gibt es nicht überall in der Schweiz. In den großen Diözesen, vor allem in der Deutschschweiz, funktioniert das System aber in der Regel gut. Immer unter der Voraussetzung, dass die Menschen miteinander wollen, dass sie also einen Weg zusammen gehen wollen und dass sie gemeinsame Konsenslösungen suchen. Da haben wir tatsächlich gute Erfahrungen gemacht. Vielleicht nicht genau dieses System, aber über eine Art der Mitwirkung nachzudenken, finde ich für andere Länder sehr hilfreich.
DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Stimmung in Prag wahrgenommen? Wollen die Katholikinnen und Katholiken miteinander?
Gmür: Ich habe wahrgenommen – das freut mich wirklich –, dass wir alle zusammengeblieben sind. Es ist niemand, um es mal krass zu sagen, ausgerastet und davongelaufen, sondern alle sind dageblieben. Im Anschluss hatten wir Bischöfe noch eineinhalb Tage unter uns. Da gab es die Übereinkunft, dass alle bei diesem synodalen Projekt weitermarschieren wollen.
Das ist schon ein erstes gutes großes Resultat, weil man am Anfang befürchtete, die einen wollen gar nichts ändern, die andern wollen da bleiben, wo sie sind, und die dritten wollen in großen Schritten die Kirche verändern. Aber das ist nicht der Fall.
DOMRADIO.DE: Wie blicken Sie auf die Rolle der deutschen Delegation in Prag und größer gesprochen beim synodalen Prozess?
Gmür: Ich habe nicht wahrgenommen, dass die Deutschen komisch angeschaut worden wären, sondern sie wurden ernst genommen. Es wurde ihnen zugehört und es wurde versucht zu verstehen, was sie meinen, wenn sie etwas sagen. Das gilt für viele andere Länder auch. Die Begegnung ist wohl das Allerwichtigste an solch einer Veranstaltung, weil die Begegnung die Wahrnehmung verändern kann. Das ist viel besser als in Büchern oder Artikeln.
DOMRADIO.DE: In Prag kam die Idee auf, ein dauerhaftes synodales Gremium auf europäischer Ebene einzurichten. Das erinnert an die Idee des synodalen Rates in Deutschland, dem der Vatikan vor Kurzem das Stoppschild gezeigt hat. Wie fänden Sie solch ein Gremium?
Gmür: Was das für ein Gremium oder Gremien sein könnten, war überhaupt nicht klar. Es war nur klar, dass die Bischöfe in ihre Länder und Bistümer zurückkehren und schauen, ob sie synodalere Strukturen errichten oder voranbringen können.
Ob das etwas mit dem synodalen Rat, wie er in Deutschland geplant ist, zu tun hat, kann ich nicht sagen. Das, was ich vom synodalen Rat weiß, lässt mich aber zu dem Schluss kommen, dass das so für die Schweiz nicht funktionieren würde.
Das heißt jedes Land muss diese synodaleren Strukturen auf seine eigene Art umsetzen. Die Frage muss sein: Wie kommen wir zu einer guten Mitbestimmung aller Gläubigen? Seien es Frauen oder Männer, Priester oder Laien, verantwortliche Personen oder solche, die keine besondere Verantwortung tragen. Und zu klären ist auch, wer am Schluss entscheidet, wenn es etwas zu entscheiden gibt.
Das Interview führte Katharina Geiger.