Früher wurde Martin Luther im katholischen Umfeld noch mit dem Teufel gleichgesetzt, erinnert sich der ehemalige "Ökumeneminister" des Vatikan, Kardinal Walter Kasper, an seine Jugend. Und der katholische Ökumene-Experte Wolfgang Thönissen räumt ein: "In katholischen Kreisen ohne ökumenische Erfahrung ist das noch heute so." Der Professor für ökumenische Theologie und Luther-Spezialist sieht jedoch große Fortschritte beim Dialog zwischen Katholiken und Lutheranern, die zu einem realistischeren Bild der jeweils anderen Konfession geführt hätten.
Zeichen dieses Fortschritts ist eine Tagung über Luther und die Sakramente, die Thönissen als Leiter des Paderborner Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik an der päpstlichen Universität Gregoriana veranstaltet. Bei dem an diesem Mittwoch zu Ende gehenden Symposium an der römischen Jesuitenhochschule erinnerte Kaspers Nachfolger an der Spitze des päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, an den Wandel im gegenseitigen Verständnis zwischen Protestanten und Katholiken. Das habe der vor rund 50 Jahren begonnene offizielle Dialog seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bewirkt.
Katholische Kirche müsse ursprüngliche Form wiederfinden
Beide Seiten seien sich heute einig, dass Luther keine Kirchenspaltung und Gründung einer neuen Kirche angestrebt habe. Vielmehr habe er die Kirche von innen heraus reformieren wollen. Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der legendäre Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.
Die damalige katholische Kirche trage "große Mitschuld", dass aus der ursprünglichen Reform der Kirche eine die Kirche spaltende Reformation geworden sei, betonte Koch bei einem Vortrag über Luther und die Sakramente. Sie ist nach den Worten des Präsidenten des päpstlichen Einheitsrats beständig reformbedürftig, da sie durch geschichtliche Entwicklungen "aus der Form geraten ist".
Auch Papst würdigte Luthers Wirken
Einige evangelische Christen unterstellen Katholiken vielfach nach wie vor, mit der Ökumene allein deren Rückkehr zur katholischen Kirche zu bezwecken. Bereits der damalige Papst Benedikt XVI. hatte jedoch 2011 bei seinem Besuch im Erfurter Augustinerkloster - einem der Hauptorte von Luthers Wirken - für viele überraschend die Theologie des Reformators gewürdigt.
Sein Nachfolger Franziskus beging den Auftakt des 500. Reformationsjubiläums im vergangenen Herbst gemeinsam mit der Spitze des Lutherischen Weltbundes im schwedischen Lund.
Fokolarbewegung für mehr Ökumene
Mit Blick auf dieses Spitzentreffen hat sich die katholisch geprägte Fokolarbewegung für weitere Schritte zu einer möglichen Kircheneinheit ausgesprochen. „Mit aller Kraft möchten wir die Kirchen im Bemühen um die volle sichtbare Gemeinschaft und im gemeinsamen Dienst an den Menschen unterstützen“, erklärte die Gemeinschaft am Dienstag in Friedberg-Ottmaring (Kreis Aichach-Friedberg). Der "Geist von Lund" solle auf allen Ebenen verwirklicht werden.
Die Fokolarbewegung, der Christen vieler Kirchen angehörten, fühle sich durch die Erklärung von Lund besonders angesprochen, heißt es in der sogenannten Ottmaringer Erklärung. Die Begegnung in Schweden sei ein "Zeichen Gottes für unsere Zeit". Dieses fordere die Christen auf, sich noch mehr dafür einzusetzen, dass sich die Einheit verwirkliche. "Wir vertrauen Gott den Weg unserer Kirchen an und bitten ihn, die Schritte auf dem Weg zur gemeinsamen Feier im 'einen Kelch' zu beschleunigen."