Ökumenische Migrationskommission kritisiert EU-Asylpolitik

"Abschottung ist nicht sinnvoll und unmöglich"

Torsten Moritz, Generalsekretär der ökumenischen Kommission der Kirchen für Migranten in Europa, hält die Asylpolitik der Europäischen Union für nicht sinnvoll und realitätsfern. Stattdessen fordert Moritz bessere Aufnahmebedingungen.

Überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer / © Francesco Pistilli/Emergency.it (KNA)
Überfülltes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer / © Francesco Pistilli/Emergency.it ( KNA )

"Abschottung ist nicht sinnvoll und sie ist unmöglich", sagte Moritz dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Stattdessen forderte er die EU-Staaten auf, sich auf die Ankunft von Schutzbedürftigen einzustellen, angemessene Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen und diese zu erhalten. Für die Krise in der Migrationspolitik sei das mangelhafte Aufnahmesystem verantwortlich, nicht die Zahl der Migranten.

"Es mag politisch schwierig zu vermitteln sein, aber das ist die Realität: Wir müssen uns darauf einstellen, dass jedes Jahr eine halbe Million bis eine Million Schutzsuchende zu uns kommt", sagte Moritz.

Moritz sieht Überlastung als Folge von Kapazitätsabbau an

20 Jahre lang sei vergeblich versucht worden, die Zahl durch Abschottung zu reduzieren. "Wir beobachten, wie die Rechte von Flüchtlingen und Migranten mit dieser Politik weiter beschnitten werden. Das sorgt für mehr Tote und mehr Verelendung, aber nicht für niedrigere Migrationszahlen."

Seenotrettung auf dem Mittelmeer / © Santi Palacios/AP (dpa)
Seenotrettung auf dem Mittelmeer / © Santi Palacios/AP ( dpa )

Dass die Kommunen derzeit an Überlastung litten, liege auch daran, dass einige nach 2016 ihre Aufnahmekapazitäten abgebaut hätten.

"Das ist so, als würde ich die Feuerwehr abschaffen, weil es drei Monate nicht gebrannt hat", sagte Moritz. "Es muss dauerhaft damit gerechnet werden, dass Migrantinnen und Migranten kommen, und wenn es eine vernünftige Infrastruktur gibt, dann ist das auch leistbar."

EU-Asylreform verspricht laut Moritz kaum Verbesserungen

Von der groß angelegten europäischen Asylreform, an der die EU unter Hochdruck arbeitet, verspricht sich Moritz kaum Verbesserung.

"In dem Reformpaket ist eigentlich nichts enthalten, was nicht schon versucht wurde." Es gebe bereits ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Das Problem sei, dass die Regeln nicht eingehalten würden.

Gerade in Deutschland kommen nach seinen Worten sehr viele Menschen an, die eigentlich von einem anderen Land aufgenommen werden müssten.

EU-Abkommen schwächen Länder oft nur statt sie zu stärken

"Die Kommission ahndet das nicht, und bisher ist völlig unklar, was sie in Zukunft tun will, wenn die neuen Regeln ebenfalls gebrochen werden", erklärte der Generalsekretär der von Protestanten, Anglikanern und Orthodoxen getragenen Kommission der Kirchen für Migranten in Europa.

Migranten in Tunesien (dpa)
Migranten in Tunesien / ( dpa )

Auch Migrationsabkommen mit Drittstaaten, wie das angestrebte Migrationsabkommen der EU mit Tunesien, hält Moritz für den falschen Ansatz: "Man muss sich bewusst machen, dass EU-Abkommen Länder oft nicht stärken, sondern destabilisieren. Das führt dazu, dass noch mehr Menschen eine Region verlassen", erläuterte er.

Solche Abkommen könnten Fluchtursachen also verschärfen.

Gescheiterte EU-Zusammenarbeit mit Niger wirkte sich negativ aus

Als Beispiel nannte der Migrationsexperte die gescheiterte Zusammenarbeit der EU mit dem Niger. Die Regierung im Niger habe acht Jahre intensiv mit der EU zusammengearbeitet, Grenzen geschlossen und dadurch auch Handel unterbunden.

"Die Bevölkerung habe das hart getroffen", sagte Moritz. "Das war einer der Gründe, warum die Bevölkerung den Militärputsch im Land unterstützt hat."

Lampedusa-Besuch von Papst Franziskus

Vor fast genau zehn Jahren besuchte Papst Franziskus die italienische Insel Lampedusa und erinnerte an die zahlreichen ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer. Erst wenige Monate war der Argentinier damals im Amt, als er am Südzipfel Europas die "Globalisierung der Gleichgültigkeit" geißelte. "Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es ist nicht unsere Sache", kritisierte Franziskus.

Papst Franziskus hält die Predigt während einer heiligen Messe am 8. Juli 2013 auf Lampedusa in Italien / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus hält die Predigt während einer heiligen Messe am 8. Juli 2013 auf Lampedusa in Italien / © Vatican Media ( KNA )
Quelle:
epd