Fast ein wenig irritiert über den eigenen Erfolg wirken die beiden großen Kirchen, dass sich vor Weihnachten Hunderttausende Bibeln verkaufen lassen. Ein Grund war sicherlich, dass nach jahrelangen Vorarbeiten die Protestanten passend zum Reformationsgedenken 2017 die Lutherbibel neu übersetzten und die katholische Seite die Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift komplett überarbeitete. Am Donnerstag, 9. Februar, ist nun in Stuttgart, der deutschen Bibelhauptstadt, eine große ökumenische Tagung zur Heiligen Schrift geplant.
Ökumenisches Gespräch intensivieren
Es geht darum, das ökumenische Gespräch zu intensivieren - gerade über die gemeinsame Quelle des Glaubens. Die Lutherbibel gilt nur im evangelischen Raum und die vormals gemeinsam genutzte Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift ist nur auf katholischer Seite im Gebrauch. In Stuttgart wollen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, darüber sprechen, "Was ich an der Bibel liebe".
Erwartet wird, dass Marx dabei ebenso freundliche Worte für die reformatorische Fassung finden wird wie Bedford-Strohm für die katholische.
Die Leiterin des Bibelwerks, Katrin Brockmöller spricht davon, "ein ökumenisches Loch zu füllen". Indes zeigten die Neuerscheinungen auch, wie sehr die Bibel als Urtext christlichen Glaubens ein gemeinsames Dokument ist. Beginnen soll die Veranstaltung mit einem Gottesdienst im katholischen Stuttgarter Dom Sankt Eberhard, dem Marx und Bedford-Strohm vorstehen. Die Tagung findet dann im evangelischen Hospitalhof statt, der als geistliches Zentrum der Protestanten in der Landeshauptstadt gilt. Dort soll die Schriftstellerin Sybille Lewitscharoff über "Die Rolle der Bibel für die kulturelle und religiöse Selbstvergewisserung unserer Gesellschaft" sprechen. Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde sie mit ihrer Ansprache bei den traditionellen "Dresdener Reden" 2014, in der sie künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft heftig kritisierte.
Workshops
In Workshops geht es um einzelne Themenaspekte, mit denen eher ein Fachpublikum angesprochen wird, etwa die in evangelischen Landeskirchen, katholischen Bistümern und vor Ort für die Bibelarbeit Zuständigen. Die Tagung ist prinzipiell offen für alle. Besprochen wird der Vergleich der neuen Ausgaben oder dass Bibelübersetzungen das Verhältnis von Christen und Juden historisch belastet haben - etwa durch eine Formulierung der "Juden als Feinde Gottes" vom Apostel Paulus.
Brockmöller sagt, dass Übersetzungen immer zeitbedingt verständlich sind: "Begriffe sind wie Container, in denen jeder Mensch etwas anderes findet." So empfängt Maria in der neuen Ausgabe Jesus nicht mehr, sondern wird schwanger. Aus dem Modewort der 1970er Jahre "sie waren sehr betroffen" wird in der katholischen Variante "sie waren voll Staunen", bei Luther "entsetzten sie sich". Alles gleicht sich und ist verschieden. Oder der Schöpfungsbericht: Über die Menschen hieß es früher "Als Mann und Frau erschuf er sie", heute steht dort "Männlich und weiblich erschuf er sie." Das ist etwas anderes.
Als Maßstäbe der neuen Übersetzungen galten unter anderem wissenschaftliche Erkenntnisse, eine engere Orientierung am Urtext, Änderungen im Sprachgebrauch und, bei den Protestanten, wegen der bekannten Klangbilder eine Rückkehr zur Sprache Luthers. Insofern sind Übersetzungen eine Art Containerzug - und der Hospitalhof wird zum Güterbahnhof.