Opfer der Colonia Dignidad fordern Mitsprache bei Gedenkstätte

"Siedlung der Würde"

Ehemalige Siedler und Opfer der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile dringen auf Mitsprache beim Betrieb der geplanten Gedenkstätte. Dazu überreichten sie dem chilenischen Präsidenten Gabriel Boric einen Brief.

 Haupttor der "Colonia Dignidad"-Siedlung, aufgenommen 1988 (dpa)

Zugleich betonten die Ex-Siedler die Bedeutung des Projektes: "Wir begrüßen die Entstehung einer Gedenkstätte in der Colonia Dignidad", sagte der Anwalt der ehemaligen Siedler, Winfried Hempel, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Anfang März hatte die chilenische Regierung angekündigt, die zentralen Gebäude der über 10.000 Hektar großen Siedlungsfläche für eine Gedenkstätte zu enteignen. Die Gründung einer Gedenkstätte war eine zentrale Empfehlung einer 2017 eingerichteten deutsch-chilenischen Expertenkommission.

In dem Schreiben, das dem epd vorliegt, verlangen die ehemaligen Siedler auch, dass die Entschädigungszahlungen für die geplante Enteignung für die Tilgung ausstehender Lohnzahlungen für über 40 Jahre Zwangsarbeit verwendet werden. Das Geld dürfe nicht an jene gehen, die seit Jahren mit der Siedlung Profit machten.

Blick auf das Gelände der Colonia Dignidad (heute "Villa Baviera") in Chile / © Gerhard Dilger (epd)
Blick auf das Gelände der Colonia Dignidad (heute "Villa Baviera") in Chile / © Gerhard Dilger ( (Link ist extern)epd )

Die Colonia Dignidad, zu Deutsch "Siedlung der Würde", wurde 1961 von Paul Schäfer gegründet, der wegen Ermittlungen wegen Kindesmissbrauchs aus Deutschland geflohen war. Zwangsarbeit und Missbrauch gehörten zum Alltag der Siedlungsbewohner. Schäfer unterstützte aktiv den Militärputsch von 1973 und verwandelte die Siedlung während der Diktatur von 1973 bis 1990 in ein geheimes Folterzentrum.

Etwa 100 Menschen wurden in der Colonia Dignidad ermordet. Die deutsche Botschaft in Chile war seit 1966 über die Zustände dort informiert, rühmte die Siedlung trotzdem jahrelang als Vorzeigeprojekt. Erst ab 1987 fand ein Umdenken statt. Nach der Flucht von Paul Schäfer vor der chilenischen Justiz im Jahr 1996 fand eine langsame Öffnung der Siedlung statt.

Ein Teil der ehemaligen Sektenmitglieder lebt weiterhin auf dem Siedlungsgelände, wo derzeit Landwirtschaft und Gastronomie mit bayrischem Flair betrieben wird. Von der geplanten Enteignung sind auch das Restaurant und das Hotel betroffen, deren Betreiber sich nun gegen die Enteignung wehren.

Ein Teil der deutschen Opfer kritisiert allerdings, dass vom Betrieb und Verkauf der Ländereien vor allem die ehemalige Führungsriege profitiere. Die mittlerweile sich im Rentenalter befindenden Siedler haben aufgrund unbezahlter Sozialabgaben durch die Siedlung lediglich Anspruch auf eine chilenische Mindestrente von umgerechnet etwa 200 Euro.

Colonia Dignidad

Die deutsche Siedlung "Colonia Dignidad" wurde Anfang der 1960er Jahre von deutschen Auswanderern im Süden des Landes gegründet. Über Jahrzehnte lebten die Bewohner von der Außenwelt abgeschnitten. Die Geheimpolizei DINA unterhielt während der Diktatur ein Folterzentrum auf dem Anwesen. Die chilenische Justiz verurteilte den Anführer der Sekte, Paul Schäfer, vor seinem Tod 2010 wegen Kindesmissbrauchs, illegalem Waffenbesitz und Folter zu insgesamt fast 30 Jahren Haft. (kna)

Eingangsbereich der 'Colonia Dignidad' in Parral, Linares, Chile / © Marcelo Hernandez (dpa)
Eingangsbereich der 'Colonia Dignidad' in Parral, Linares, Chile / © Marcelo Hernandez ( (Link ist extern)dpa )