Ordensschwester in Jerusalem findet Hoffnung im Gebet

"Nicht mehr um sich selbst kreisen"

Den Krieg kann man nicht schön beten. Schwester Gabriela Zinkl lebt in der Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Karl Borromäus in Jerusalem. Sie hat sich Gedanken über das Beten in Kriegszeiten gemacht.

Gefaltete Hände / © Halfpoint (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Was geht in Ihrem Kopf vor, wenn das Handy vibriert, es die nächste Alarmmeldung gibt oder Sie Detonationen hören? Kommt Ihnen da nicht automatisch das oft bemühte Stoßgebet in den Sinn?

Schwester Gabriela Zinkl in Jerusalem (privat)
Schwester Gabriela Zinkl in Jerusalem / ( privat )

Schwester Gabriela Zinkl (Ordensschwester in der Gemeinschaft der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Karl Borromäus in Jerusalem): In den ersten Tagen war es für uns unglaublich. Meine Mitschwestern und ich sowie auch unsere Gäste damals waren in einer ziemlichen Schockstarre. Ständig kam ein Alarm nach dem anderen.

In dem unmittelbaren Kriegsgebiet, das etwa eine Dreiviertelstunde von uns entfernt ist, sind nach wie vor Raketen, Detonationen und Kampfhandlungen wahrzunehmen. Wir hören hier eher die Kampfflugzeuge, aber die jeden Tag, jede Nacht, bei jeder Gebetszeit, bei jedem Gottesdienst.

Mittlerweile ist diese Schockstarre ein bisschen der Enttäuschung gewichen, dass so viele Leute diesem Krieg ausgesetzt sind. Wir beten jeden Tag für den Frieden. Zu jeder Gebetszeit beten wir für beide Seiten, dass Frieden kommen möge.

Gabriela Zinkl

"Ich war da wirklich nur noch schweigend, ja geschockt, entsetzt."

DOMRADIO.DE: Ist das Beten in Kriegs- und Krisenzeiten besonders schwierig? 

Zinkl: Ja, mir selbst ist es beim Kriegsbeginn sehr schwergefallen. Durch die Meldungen, Bilder und Nachrichten der Ereignisse ist es klar, dass das in unserer Nähe geschieht und dass man zum Teil die Menschen dort kennt.

Ich wusste nicht, was man da jetzt sagen soll. Was soll man da beten? Ich habe geschwiegen, war geschockt und entsetzt. Wie kann das alles sein? Wie kann Gott das zulassen?

Mit der Zeit wird es irgendwie normaler. Ich will nicht sagen, dass man sich daran gewöhnt hat. Aber mir haben in der Zeit vor allem die Psalmen im Stundengebet ganz viel Kraft gegeben. Es fällt einem dann umso mehr auf, dass schon die Psalmen-Beter damals so ihre Not zum Himmel gerufen haben. Sie haben geschrien, gejammert, in Notsituationen gefleht.

Gabriela Zinkl

"Es ist jetzt keine Naturkatastrophe, der man machtlos gegenübersteht, sondern es ist Krieg von Menschen gemacht."

Wir konnten uns da erst mal dranhängen. Das Jammern, Flehen und Klagen war eine erste Stütze.

Mittlerweile haben wir auch oft Gespräche mit Betroffenen, auch mit denen, die nicht über die Grenzen können, die um ihre Familien bangen, die um ihr tägliches Brot bangen, die keine Arbeit im Land haben. Wir beten jetzt bewusst auch für sie.

DOMRADIO.DE: Haben Sie für sich eine Antwort auf die Frage gefunden, warum Gott das zulässt?

Zinkl: In Gesprächen mit meinen Mitschwestern in unserer Hausgemeinschaft und auch mit Benediktinern von der Dormitio Abtei haben wir das noch mal ein bisschen differenziert.

Es ist keine Naturkatastrophe, kein Tsunami, kein Vulkanausbruch, denen man machtlos gegenübersteht. Vielmehr ist es ein von Menschen gemachter Krieg.

Für mich ist es ein Hoffnungspunkt, dass wir durch unser Gebet so dem Frieden einen Weg bereiten können. Frieden für alle, die im Hintergrund wirken, für die Politiker, für alle, die Entscheidungen treffen müssen, für die Soldaten auf allen Seiten, für die Helfer, Ärzte und Familienangehörigen.

Bei uns in Jerusalem wird es jetzt auch langsam kalt. Es hat die letzten Tage ganz stark geregnet. Wir haben uns immer Gedanken gemacht, wie es wohl den Leuten in Gaza gehen wird, die keine Heizung, kein heißes Wasser und kein Brot haben?

Einfach mit ihnen zu fühlen, an sie zu denken und ihnen durch das Gebet positive Liebe zu schicken, ist die Intention.

DOMRADIO.DE: Papst Franziskus ruft immer wieder zu Friedensgebeten auf. Was können diese Gebete überhaupt bewirken?

Zinkl: Man kreist erstmal nicht immer nur um sich selbst. Das ging uns auch so. Man ist in dieser Starre. Da kann man fast gar nichts tun. Man ist atemlos, weiß nicht mehr, was man denken soll. Dann kommt auch noch die ganze Angst dazu.

Wem soll ich denn jetzt vertrauen in so einer Situation? Im Gebet wendet man sich dann an Gott und vertraut auf Gott.

Gabriela Zinkl

"Das Gebet hilft, nicht nur um uns selbst zu kreisen, sondern auf Gott und auf ein Miteinander der Menschen zu vertrauen."

Ich bin froh, dass ich den Glauben an Gott habe, der seinen Sohn, den Friedensfürsten, Jesus Christus sendet. Das ist unsere Hoffnung, gerade auch hier in diesen Tagen und nicht weit entfernt von Bethlehem, wo Jesus an Weihnachten geboren worden ist.

Das Gebet hilft, nicht nur um uns selbst zu kreisen, sondern auf Gott und auf ein Miteinander der Menschen zu vertrauen.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Jerusalem

Blick auf Jerusalem / © JekLi (shutterstock)

Jerusalem ist für die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam eine zentrale Stadt. Daran erinnern heute archäologische Zeugnisse und Heiligtümer, die sogenannten Heiligen Stätten. Kaum eine andere Metropole hatte eine so wechselvolle Geschichte; immer wieder änderten sich die politischen Machtverhältnisse.

Quelle:
DR