Nur dann bekomme die Kirche wieder Boden unter die Füße. "Die jetzt handelnden Personen haben womöglich gar keine Chance, selbst wo sie individuell keine Schuld treffen sollte und sie ehrlich um Aufklärung bemüht sind", sagte Kermani der im hessischen Oberursel erscheinenden Zeitschrift "Publik Forum" (Ausgabe vom 7. Oktober).
Wo Religion verschwinde, verschwinde früher oder später auch die Kultur, sagte Kermani, denn die sei geprägt von religiösen Motiven: "Wo der Zugang zur Religion verloren geht, geht auch der Zugang zu Hölderlin, Goethe, Schubert, Beethoven, Gryphius und zur Bibel verloren."
Umgekehrt sei die Gefahr, für eine kolportierte Wahrheit zu kämpfen, in die Religion eingeschrieben. "Der entscheidende Punkt besteht darin, dass wir uns dessen bewusst sind", sagte Kermani.
Mehr Ressourcen als die kirchlichen Würdenträger
In dieser Hinsicht ist eine säkular verfasste Gesellschaft nach den Worten des iranisch-stämmigen Autors eine "Riesenchance". Sie biete Freiheit und wache darüber, dass sich Sprachgewalt nicht in soziales Handeln übertrage. Die Freiheit zum Unglauben komme erst, wenn man wisse, was man ablehnen kann.
"Eine Aufgabe der Erziehung wäre, einer nachfolgenden Generation die Möglichkeit zu vermitteln, dass man glauben kann", sagte Kermani. "Ob sie dann den Glauben annimmt oder nicht, hängt von ihrer Lebenserfahrung ab."
Das Christentum habe noch mehr Ressourcen als die kirchlichen Würdenträger, "die man blöd oder ungeeignet findet", äußerte Kermani.
Es gebe ja noch viele vom Glauben beseelte Menschen oder die Caritas. Aber in der Geschichte hätten sich immer wieder Religionen aufgelöst. Auch für das Christentum gelte: "Wenn es nicht genug Menschen gibt, die es weitergeben, dann stirbt es eben."