Es ist ein Ritual, das fast 1.000 Jahre alt ist. Ein Mitglied der muslimischen Familie Judeh bringt morgens um fünf Uhr die schweren Eisenschlüssel der Grabeskriche zur Tür. Dort wartet ein Mitglied der ebenfalls muslimischen Familie Nusseibeh, nimmt den Schlüssel entgegen und öffnet eine kleine Luke. Die Nacht haben ein katholischer und ein orthodoxer Mönch in der Kirche verbracht. Sie schieben eine kleine Leiter durch die Tür. Nusseibeh nimmt sie ab, steigt hinauf und kann das obere Schloss öffnen. Abends dann das gleiche Ritual umgekehrt.
Tradition aus dem Mittelalter
Seit dem Jahr 1192 Tag für Tag das gleiche Spiel. Der aktuelle Türöffner ist Wayesh Nusseibeh: "Es sind fünf christliche Konfessionen, die die Kirche betreiben, wir als muslimische Familien sind sozusagen die neutralen Verwalter. Hier gibt es griechische, katholische, armenische, koptische und assyrische Christen. Die Schlüssel, wie die Aufgabe, werden vom Vater an den Sohn weiter gegeben."
Die meiste Zeit des Tages sitzt Wayesh Nusseibeh neben der schweren Stahltür und lässt sich auf Gespräche mit den Touristen ein. Wenn er nicht da ist, ist es jemand aus seiner Familie. Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht komisch wirkt, dass eine muslimische Familie die Schlüsselgewalt für die Grabeskirche Christi hat, macht das Sinn: "Wir leben mit den Christen hier wie Brüder unter ein und demselben Dach. Das funktioniert seit Jahrhunderten, wir sind zufrieden damit und die Christen ebenso."
Lärm und Hektik am Grabe Jesu
Wenn man als Christ die Kirche mit dem Felsen Golgota, dem Ort des Kreuzes sowie dem leeren Jesusgrab betritt, ist die Stimmung alles andere als andächtig. Jede Konfession pilgert hier auf ihre eigene Weise, da wird es auch mal laut. Sich besinnen und auf diesen besonderen Ort einlassen, fällt da nicht jedem leicht.
Das Jesusgrab selbst steht in der Mitte eines hohen, runden Kirchenschiffes. Das Grab besteht aus zwei kleinen Kammern. Die hintere mit der Grabplatte Jesu kann man nur gebeugt betreten. Von einem orthodoxen Mönch wird man schon nach Sekunden nicht gerade höflich wieder rauskomplimentiert. Die Wartezeiten von zwei oder drei Stunden an christlichen Feiertagen sollen so kurz wie möglich gehalten werden.
Besucherandrang vor dem Osterfest
Vor Ostern ist besonders starker Betrieb. Die Osternacht selbst wird in der Grabeskirche von Freitag auf Samstag gefeiert, das stammt schon aus Zeiten vor dem zweiten Vatikanischen Konzil. An den Regelungen in der Grabeskirche darf heute nichts verändert werden. Der Ostersonntag, als Tag der Auferstehung, wird dann eher ein ruhiger Tag für die Grabeskirche.