Ostdeutsche Katholiken erhalten Zuwachs aus Polen

Wo offene Grenzen die Kirche stärken

Auf der hohen politischen Ebene mögen die Beziehungen abgekühlt sein. Doch es gibt auch einen anderen Effekt: In der deutschen Grenzregion sorgt der Zuzug von Polen immer mehr für volle katholische Gottesdienste.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe und Gregor Krumpholz
Gottesdienstbesucher hält ein Gotteslob in den Händen / © Jörg Loeffke (KNA)
Gottesdienstbesucher hält ein Gotteslob in den Händen / © Jörg Loeffke ( KNA )

Immobilienpreise fördern das Zusammenwachsen Europas: Wie seit langem schon Deutsche in grenznahe Regionen Frankreichs oder Belgiens ziehen, tun es nun zunehmend auch Polen in den Osten Deutschlands. Die Kirche will ihnen dabei helfen, eine neue Heimat zu finden.

Volle Kirchenbänke

Wenn am Sonntag im vorpommerschen Löcknitz die Glocken läuten, sind die Kirchenbänke voll in der evangelischen Dorfkirche. Ein deutscher Besucher versteht dann aber nicht sehr viel. Die Lesungen aus der Bibel, die Predigt, die Kirchenlieder: Fast alles findet auf Polnisch statt. In Löcknitz feiern polnische Katholiken, die in den vergangenen Jahren nach Brandenburg und Vorpommern gezogen sind, ihre Sonntagsmesse - zu Gast in dem evangelischen Gotteshaus. Fast jeder fünfte der gut 3.200 Einwohner von Löcknitz, rund zehn Kilometer von der Grenze entfernt, ist Pole.

"Wir kommen aus Szczecin, dem früheren Stettin", sagt Paulina Domogalska, die mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern die Messe besucht hat. "Das Grundstück war hier viel billiger als in Polen." Während die Wirtschaft in und um Stettin boomt, hat die Region auf der anderen Seite der Grenze seit der deutschen Wiedervereinigung viele Einwohner verloren. Seit die Grenzkontrollen und damit verbundene Staus mit dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum 2007 in der Regel wegfielen, wurde es für Polen noch attraktiver, in Deutschland zu wohnen, auch wenn sie weiter in ihrer alten Heimat arbeiten.

Erzbistum Berlin hat reagiert

Das katholische Erzbistum Berlin hat auf seine neuen Mitglieder mittlerweile reagiert: Viele Priester in der Grenzregion sprechen polnisch. In Löcknitz wurde mit Hilfe des Bonifatiuswerks eine Stelle eingerichtet, die Deutsche und Polen miteinander in Kontakt bringen soll.

"Wir wollen den zugezogenen polnischen Christen zeigen, dass sie willkommen sind", betont Klaudia Wildner-Schipek, die diese Projektstelle innehat. So werden in der Region seit 2016 Gottesdienste auf auch auf Polnisch gefeiert. "Es sind viele junge Familien zugezogen, mit kleinen Kindern, die kurze Wege suchen", erklärt die 38 Jahre alte Koordinatorin, die selbst deutsche und polnische Wurzeln hat.

In Löcknitz gibt es deswegen einmal im Monat auch ein Kirchencafe. Zudem bietet die Kirche Kindernachmittage an und verhandelt über den Kauf eines ehemaligen Gasthauses, das zur deutsch-polnischen Begegnungsstätte werden soll. Bei den Angeboten engagiert sich auch die Caritas. Das Integrationsprojekt ist auch den Kirchenleitungen diesseits und jenseits der Grenze wichtig. Zu einem Löcknitzer Kirchenfest im vergangenen Oktober kamen der Berliner Erzbischof Heiner Koch und sein Stettiner Amtsbruder Andrzej Dziega.

Viele Erstkommunionen

Eine direkte Auswirkung hat der Zuzug der Polen auch auf die örtliche Kirchengemeinde. "Wir hatten wieder 30 Kinder zur Erstkommunion", sagt der Pfarrer von Pasewalk, Grzegorz Mazur. Über die Jahre waren die katholischen Gemeinden in der Region zuvor immer kleiner geworden, und das Durchschnittsalter der Gläubigen wuchs scheinbar unaufhaltsam. Katholische Gottesdienste hatte es in Löcknitz seit den 1970er Jahren nicht mehr gegeben. Nun sind in Pasewalk bereits mehr als die Hälfte der Katholiken Polen, in Schwedt, Prenzlau und Frankfurt an der Oder sind es ein Drittel.

Auch das Bistum Görlitz, mit gut 29.000 Katholiken Deutschlands mitgliederschwächste Diözese, stellt sich auf Zuwachs aus dem Osten ein. Bischof Wolfgang Ipolt heißt die "polnischen Brüder und Schwestern" in einem eigens an sie gerichteten Brief "herzlich willkommen". Wörtlich lädt er sie ein: "Bringen Sie ruhig manches mit in unsere Pfarreien, was Sie aus Ihrer Tradition kennen. Das kann uns nur bereichern - andererseits sollten Sie aber auch offen sein für unsere Art, den Glauben zu leben."

Die Bitte um Verständnis für die Lage der Kirche in Ostdeutschland hat einen guten Grund. Wer von Polen in die neuen Bundesländer wechselt, kommt aus einem noch weithin katholisch geprägten Land in eine der kirchenfernsten Regionen der Welt. Was deutsche und polnische Katholiken noch wechselseitig fremdeln lässt, soll immer unwichtiger werden.


Quelle:
KNA