"Wir feiern, dass der Tod nicht mehr das letzte Wort hat. Und das binden wir an die Person Jesus Christus", fasst Dr. Gunther Fleischer das Geheimnis des Osterfestes kurz zusammen.
Der Leiter der Erzbischöflichen Kölner Bibel- und Liturgieschule weist darauf hin, dass die einzelnen Schriften des Neuen Testaments nicht einfach historische Geschichte wiedergeben wollen, sondern auch eine bestimmte Theologie dahinter steckt. "Der Mensch ist in sich nicht nur ein guter, sondern er kennt auch die Sünde", erklärt Fleischer die Vorlage für die theologische Formel "gestorben für unsere Sünden".
Doch Gott wende sich wegen dieser Sündhaftigkeit nicht von uns Menschen ab, sondern seine Liebe führe ganz im Gegenteil in ihrer Konsequenz zum Kreuz. Dass sich der Karfreitag vor allem im Protestantismus zum zentralen Geschehen entwickelt habe, im Katholizismus hingegen der Ostersonntag, sei eine Entwicklung aus der Konfessionalisierung heraus, die unterschiedliche theologische Schwerpunkte trage. Grundsätzlich seien jedoch Karfreitag und Ostern nicht voneinander zu trennen, ergänzt Fleischer.
Kürzungen beim Wort Gottes
Zentrale Liturgiefeier des Österlichen Triduums ist die Osternacht mit einem ausführlichen Wortgottesdienst, der sieben alttestamentliche Lesungen enthält. Doch nur in den wenigsten Kirchen sind auch wirklich alle Lesungen zu hören. Selbst im Kölner Dom ist nur die Minimalform mit drei Schrifttexten vorgesehen. Dies lässt Gunther Fleischer auf das Hörvermögen der heutigen Gesellschaft schließen, der wohl nicht all zu viel Input zugemutet werden soll.
Doch im Hinblick auf eine entsprechende weltliche Feier, die er noch vor kurzem besucht habe, ist Fleischers persönliches Votum deutlich: "Es gibt ja ganz viel, wo gekürzt wird. Aber wenn irgendwelche Leute geehrt werden, dann werden stundenlang Reden gehalten und alle sind bereit, sich das anzuhören. Aber wenn es um das Wort Gottes geht, dann soll auf einmal gekürzt werden in der einen Nachtfeier einmal im Jahr. Ich bin für alle sieben Lesungen."
Eine Nacht durchwachen
Über den richtigen Zeitpunkt der Osternacht herrscht in den Gemeinden oft Uneinigkeit. Traditionell wird diese am späten Karsamstagabend gefeiert. Einige Gemeinden sind jedoch dazu übergegangen, den Termin auf den frühen Ostersonntagmorgen zu legen und berufen sich dabei auf die aufgehende Sonne, die als Symbol für den Auferstandenen gilt. "Das ist aber nicht ganz die Idee der Osternacht", gibt der Liturgiereferent des Erzbistums Köln, Dr. Alexander Saberschinsky, zu bedenken.
In den liturgischen Texten der Osternacht werde Christus nicht mit der aufgehenden Sonne verglichen, sondern er werde als das Licht bezeichnet, das die Nacht hell erleuchtet. "Also es geht nicht darum, in den Tag hinein zu feiern, sondern die Nacht selber hell werden zu lassen." Saberschinsky verweist daher auf das Directorium, den liturgischen Laufplan des Erzbistums Köln, nach dem die Osternacht sowohl am Karsamstagabend als auch in der Frühe des Ostersonntags gefeiert werden kann.
Es sei aufgrund des nächtlichen Charakters der Vigilfeier (von lat. vigilare = wachen) darauf zu achten, dass sie abends nicht vor Eintritt der Dunkelheit beginnt beziehungsweise vor der Morgendämmerung endet. Das Ideal ist für den Liturgieexperten natürlich, die ganze Nacht zu durchwachen. Doch da haben die nächtlichen Diskothekenbesucher den meisten Gemeinden etwas voraus.
Nacht zum Tag werden zu lassen
Eine Gemeinde, die es tatsächlich schafft, die Nacht zum Tag werden zu lassen und mit der Osternacht eine ganze Nacht durchmacht, ist die Pfarrei St. Stephanus in Leverkusen-Wiesdorf-Bürrig-Küppersteg. Pfarrer Ralf Hirsch hat diese Idee, die sich aus seiner Biografie und Erfahrung entwickelt hat, mitgebracht. Die Osternacht wird jedes Jahr als die Nacht durchwachende Vigil in der Wiesdorfer Kirche St. Hildegard gefeiert und beginnt um 23:30 Uhr mit dem Osterfeuer und dem Exsultet, dem Osterlob. "Wir versuchen in dieser Nacht den ganzen Reigen der Heilsgeschichte in aller Ruhe zu verkosten, in aller Eindringlichkeit und Massivität", fasst Pfarrer Hirsch die Intention dieses ungewöhnlichen Gottesdienstes zusammen.
Einen festen Ablaufplan gebe es nicht. Es würden lediglich an bestimmten Orten in und um die Kirche verschiedene Möglichkeiten geboten wie Eucharistische Anbetung, Gesänge, Zonen der Stille und die Gestaltung der Osterkerze. "Das muss nicht jedermanns Sache sein. Es gibt Leute, die das in dieser Nacht, in diesem Jahr, an diesem Ort gerne mitmachen." Das schließe nicht aus, dass diese Nacht auch für Kinder geeignet sei.
Teilweise würden Gemeindemitglieder diese Osternacht partiell mitfeiern und sich zum Beispiel nach dem Paschamahl wieder zurückziehen. Am Ende dieser Nacht fühlt sich Ralf Hirsch jedoch nicht reif fürs Bett, sondern hat noch die Energie, die vormittäglichen Ostergottesdienste in seiner Gemeinde zu feiern.
Taufe als bewusste Abkehr vom Islam
Ein wichtiger Teil der Osternacht ist die Tauffeier. Hier wird das neue Taufwasser durch das Eintauchen der Osterkerze gesegnet. Die Gemeinde bekennt anschließend ihren Glauben und wird mit dem Weihwasser in Anlehnung an den Bundesschluss des Sinai (Ex 24) besprengt.
Die Osternacht ist aber auch der Ort, in der durch die Taufe neue Mitglieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen werden. In den letzten Jahren ist der Anteil der erwachsenen Taufbewerber angestiegen, weiß Irmgard Conin. Die Pastoralreferentin leitet die Katholische Glaubensinformation FIDES in Köln, eine Anlaufstelle für Erwachsenentaufen, Konversion und Wiedereintritt in die Kirche. "Ich glaube, die Zeit, dass Menschen in die Kirche hineinwachsen, wie in einem katholischen Aquarium groß werden, die geht so langsam dem Ende entgegen."
Stattdessen kämen Menschen dazu, die sich persönlich und bewusst dazu entschieden, Christ zu werden und als Christ zu leben. Im gegenwärtigen Kurs seien etwa ein Drittel der Bewerber, die in der Osternacht getauft würden, Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, die eine bewusste Abkehr vom Islam und Hinwendung zum Christentum vollzögen. Andere Bewerber kämen aus dem Osten Deutschlands oder aus agnostisch geprägten Familien und seien konfessionslos aufgewachsen. "Die Motive, sich dem Glauben zuzuwenden, sind sehr unterschiedlich und sehr individuell", erläutert Irmgard Conin weiter.
Mal sei es die Ausstrahlung des christlichen Partners, mal aber auch eine Sinn- und Lebenskrise durch den Tod eines Angehörigen oder eine schwere Krankheit. Diese existenziellen Erfahrungen bilden auch eine schöne Brücke hin zum wichtigsten Gottesdienst des Jahres, in dem Tod und Auferstehung so nahe beieinander liegen. "Die Taufbewerber werden zeichenhaft in diese Bewegung mit hineingenommen", erklärt die FIDES-Leiterin die Dynamik in der Osternacht.
Texte ins Heute bringen
Was der Inhalt der Lesungen in der Osternacht konkret für die Mitfeiernden bedeutet, damit beschäftigen sich ganz intensiv auch die Mitglieder des Neokatechumenalen Weges. In der St. Marien-Kirche in Köln-Nippes wird die Osternacht daher als Vollvigil gefeiert, das heißt mit allen Schriftlesungen, Taufen und zusätzlichen Elementen, erklärt Pfarrer Michael Kuhlmann vom Seelsorgebereich "Kirche im Veedel". "Das ist der Vorteil der neueren großen pastoralen Räume. Wir haben in unserem Seelsorgebereich zwei Osternächte von 90 Minuten beziehungsweise zweieinhalb Stunden." Somit gebe es auch Alternativen für die Menschen, denen die viereinhalb Stunden in St. Marien zu lang sind.
Bereits am Nachmittag des Karsamstags treffen sich die Mitglieder des Neokatechumenalen Weges in kleinen Gruppen und bereiten sich auf die Texte vor, sagt Clemens Doubrava. "Es könnte auch sehr langweilig sein, weil es in jedem Jahr dieselben Lesungen sind. Man muss sie daher ins Heute bringen und aktualisieren, so dass diejenigen, die sie hören, auch sagen: Ja, das bedeutet für mich etwas, wenn Abraham seinen Sohn opfert. Das hat etwas mit mir zu tun."
Um diese Brücke zu schlagen, dafür brauche man eine Einleitung in die Lesung, die jeder Lektor mit eigenen Worten vortrage. Und auch zwischendurch habe jeder Gottesdienstbesucher die Möglichkeit, die Texte zu reflektieren. Nach dem Gottesdienst löse sich die Gemeinde jedoch nicht einfach auf. Man feiere anschließend im Pfarrheim weiter bis in die Morgenstunden hinein, so dass am Ende die Vigil die ganze Nacht hindurch gedauert hat.
Musik und Brauchtum
Eine Besonderheit der Liturgie des Osterfestes ist die Sequenz (von lat. sequi = folgen), ein Gesang, der auf das Halleluja des Ostersonntags folgt und dieses inhaltlich fortführt. Sequenzen hat es im Mittelalter sehr viele gegeben, bis ihre Anzahl im Konzil von Trient stark reduziert wurde. Heute sind an Ostern und Pfingsten noch die Sequenzen vorgeschrieben, die für Fronleichnam und am Gedächtnis der Schmerzen Mariens fakultativ. Die Ostersequenz "Victimae paschali laudes" entstand im 11. Jahrhundert und beinhaltet ein Zwiegespräch zwischen der Kirche und Maria von Magdala als Zeugin der Auferstehung. Aus der gregorianischen Melodie ist das bekannte Kirchenlied "Christ ist erstanden" hervorgegangen.
Brauchtum ist auch für die Kar- und Ostertage in vielfältiger Weise überliefert, erklärt der Theologe und Brauchtumsforscher Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti. Das Osterei sei eine Folge der Fastenzeit. Da man in der Fastenzeit keine Eier essen durfte, weil diese als flüssiges Fleisch galten, wurden diese gekocht an Ostern gegessen. "Das Ur-Osterei ist ein rotes Osterei, das gekocht ist und rot gefärbt. Denn es ist kalt wie der Tod und die Toten. Es ist hart wie das Grab Jesu im Fels. Aber die Farbe Rot signalisiert: Und doch ist Leben darin."
Der Osterhase ist hingegen per Zufall in das Fest gekommen, und dann noch mit evangelischem Ticket. "Vor 1900 spielt er bei den Katholiken keine Rolle. Danach beginnt er auch hier präsent zu werden, so dass das eigentliche Ostertier, das Lamm, was man noch im Wappen von Martin Luther findet, heute den meisten völlig unbekannt ist", weiß Becker-Huberti.