Palästinensische Bauern kämpfen um ihren Besitz und ihr Überleben

Wassermangel im Jordantal

Politisch und humanitär bleibt die Lage im Nahen Osten angespannt. Vor allem palästinensische Bauern kämpfen im strategisch wichtigen Jordantal ums Überleben. Denn nicht nur für die Menschen, auch für die Landwirtschaft ist hier das Wasser knapp. Und wenn das Land längere Zeit nicht bewirtschaftet wird, kann es von Israel konfisziert werden, fürchten die Bauern.

Autor/in:
Anne Françoise Weber
 (DR)

Die Männer des Dorfes Jiftlik im Jordantal sitzen auf Plastikstühlen in einem mit Stoffbahnen überdachten Hof. Sie erzählen von ihrem Leben in diesem dünn besiedelten Landstrich mit Feldern voller kleiner Gewächshaustunnel. Ahmad Mustafa Awad, Vater von neun Kindern, klagt, dass der magere Ertrag der Landwirtschaft zum Jahresende nicht einmal genug Geld für Essen oder Heizung übrig lasse. Zumal auch der Landbesitzer in Nablus seine Pacht haben will. Eine Vermarktung von Obst und Gemüse im Ausland, wo die Preise besser wären, scheitert an dem langen, von Checkpoints gesäumten Weg in die palästinensischen Städte Jericho oder Nablus.

"Früher haben die Kinder immer gefragt, ob es mal Fleisch gibt.
Jetzt fragen sie schon nicht mehr", sagt der alte Mann mit den tiefen Furchen im Gesicht resigniert. Und er erzählt weiter: "Manchmal haben wir Trinkwasser, manchmal nicht, manchmal tröpfelt es nur aus der Leitung." Viele seiner Kinder und Enkel packen bei der Landwirtschaft mit an - auch, weil sie keine andere Einkommensquelle haben. Nur ein 26-jähriger Sohn arbeitet seit anderthalb Jahren in einer Behörde im rund 25 Kilometer entfernten Nablus - bis jetzt unbezahlt.

Was sollen sie tun - sie wollen leben
Nicht nur für die Menschen, auch für die Landwirtschaft ist das Wasser knapp im Jordantal. Zumal seit Bauern aus den benachbarten jüdischen Siedlungen Brunnen gegraben haben, die tiefer sind als alle palästinensischen Brunnen im Umkreis. Seither sind einige Brunnen ausgetrocknet, das Wasser von den israelischen Wasserwerken sei zu teuer, klagt ein anderer Bauer. Jetzt könne er nur noch 20 statt wie früher 100 Hektar Land bewässern. Im Sommer steigen die Temperaturen über 40 Grad, das Regenwasser reicht zur Bewässerung nicht aus.

Wenn aber Land längere Zeit nicht bewirtschaftet werde, könnte es von Israel konfisziert werden, fürchten die Bauern. Die Erfahrung haben sie bereits mehrfach gemacht. Viel Land von Palästinensern, die im Krieg 1967 nach Jordanien geflohen sind oder später die Gegend verlassen haben, ist nach und nach in jüdische Hände gelangt. So auch eine Fläche direkt unterhalb von Jiftlik, auf der Arbeiter kleine Weinstöcke an Stangen binden. Es sind Palästinenser, Leute aus Jiftlik und anderen Dörfern, die als Tagelöhner angestellt werden. "Was sollen sie tun, sie wollen leben", sagt Muhammad Abu Seif mit einem verlegenen Lächeln. Er selbst würde den Siedlern eigentlich nie begegnen. Nicht einmal die Tankstellen seien die gleichen, erklärt der Bauer aus Jiftlik.

Vielen Palästinensern im Westjordanland machen Checkpoints und Straßensperren das Leben schwer. Am schwierigsten ist es aber für die Menschen, die in sogenannten C-Gebieten leben; Zonen, die seit dem Abkommen von Oslo völlig unter israelischer Kontrolle stehen - rund 60 Prozent des Westjordanlands. Fast das ganze Jordantal zählt dazu, denn es handelt sich um eine strategisch wichtige Zone, zu großen Teilen ist es sogar Militärsperrgebiet. Nur Palästinenser, die hier ihren Wohnort haben, dürfen sich überhaupt hier aufhalten. Und manche Dörfer sind für die israelischen Behörden schlicht illegal.

"Es wird passieren, hier und anderswo"
Für die Bewohner von Jiftlik und Furush Beit Dajan bedeutet das, dass sie ohne Genehmigung nichts bauen dürfen. Selbst zur Aufstockung der Schule von Furush Beit Dajan bedurfte es einer Genehmigung durch die israelischen Behörden, die fast zweieinhalb Jahre auf sich warten ließ. An der Schulwand hängt eine Lampe, darüber verläuft eine Stromleitung. Doch die Lampe ist nicht ans Stromnetz angeschlossen, die Leitungen führen nur in eine benachbarte Siedlung. Die Schule dagegen wird mit einem Generator versorgt.

In den letzten Jahren sei die Schülerzahl, trotz Erweiterung auf acht Klassenstufen, um rund hundert auf 150 gesunken, sagt Khadr Abu Hanish vom Gemeinderat. "Der Grund ist, dass Leute hier zum Wegzug gedrängt wurden, und zum Teil ihre Häuser zerstört wurden. Außerdem schrecken der weite Schulweg und die Checkpoints besonders Mädchen ab." Rund die Hälfte der Mädchen würden die Schule abbrechen, schätzt er.

Auch wenn er Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für einen machtlosen Mann hält, sieht Abu Hanish kaum Fehler auf Seiten der palästinensischen Politiker. Die zum Teil blutigen Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas will er nicht überbewerten, Versöhnung sei möglich - schließlich lebten im Dorf Anhänger aller palästinensischen Fraktionen friedlich zusammen, beteuern auch alle umstehenden Männer. Die Hoffnung hat Abu Hanish nicht verloren - wenn er keine Verbesserung erleben könnte, dann doch seine Kinder, meint er. Ribhi Abu Zaghlan ist weniger optimistisch: Druck führt zu Explosionen", sagt er. Auf die Frage, warum denn dann im Jordantal noch nichts explodiert sei, antwortet er: "Es wird passieren, hier und anderswo".