DOMRADIO.DE: Eine Andacht an der Kaimauer für die Seeleute, die dann mit genug Abstand auf ihren Schiffen stehen, das war Ihre Idee, und das haben Sie gestern am Heiligen Abend angeboten. Wie hat das funktioniert?
Monica Döring (Leiterin der katholischen Seemannsmission Stella Maris, Hamburg):
Genau, wir haben mit unseren evangelischen Kollegen von der Deutschen Seemannsmission gut geplant, dass wir wirklich alle Schiffe gestern erreicht haben. Wir sind mit unserem Seemannsmissions-Auto, vollgeladen mit Geschenken, die uns Menschen aus der Stadt gespendet haben, zum Schiff gefahren. Wir haben uns vorgestellt und die Andacht angeboten. Und wenn die Seeleute Zeit hatten, nicht die durcharbeitete Nacht ausschlafen mussten, haben wir uns an der Hafenkante aufgebaut, die Seeleute waren in sicherem Abstand auf dem Schiff, und wir haben dann gemeinsam gesungen - draußen mit Maske durften wir das - gebetet, Weihnachten gefeiert.
DOMRADIO.DE: Weihnachten eben anders - so ist das in diesem Jahr. Sie sind also von Schiff zu Schiff gefahren. Wie viele Andachten haben so stattgefunden? Wie viel Zeit haben Sie sich da jeweils genommen?
Döring: Wir hätten gerne noch mehr Andachten gefeiert, aber gestern war Arbeitstag auch noch im Hafen. Das heißt, es hatten viele Menschen auch einfach noch das Bedürfnis nach Ruhe. Ich denke mal, ich habe zwar die evangelischen Kollegen heute noch gar nicht gesprochen, aber ich denke mal, Weihnachten haben wir gestern insgesamt vielleicht zwölfmal gefeiert. Und dazu kamen noch die Andachten, die wir auch für die Besatzung von Kreuzfahrtschiffen feiern durften.
DOMRADIO.DE: Was haben Sie für Rückmeldungen bekommen?
Döring: Ein Seemann, ein Kapitän sagte zu uns, offensichtlich ein Osteuropäer und eher sonst so ein bisschen kurz angebunden: "Ich fahre seit 40 Jahren zur See. Es ist noch nie jemand zu mir hierher aufs Schiff gekommen". Also das war was, was uns wirklich auch sehr berührt hat und wo wir uns dann beschenkt gefühlt haben.
DOMRADIO.DE: Wie hatten Sie die Seeleute vorher informiert? Sie sind ja bestimmt nicht einfach dort am Kai jetzt aufgetaucht. Das musste ja vorher dann irgendwie auch öffentlich gemacht werden.
Döring: Das ist bei Seeleuten an den Schiffen tatsächlich immer eine Herausforderung. Unser täglich Brot sind Besuche der Besatzung an den Schiffen; und da passiert es genau so, dass wir einfach immer hinfahren. Jetzt mit Weihnachten war es so, dass wir versucht haben, 10-15 Minuten vorher hinzufahren und zu sagen: "Das bieten wir euch an, wir kommen gleich wieder. Habt ihr Zeit, habt ihr Interesse?" Das Leben im Hafen ist schnelllebig, ist kurz und die Kommunikation selbst heutzutage ist nicht so, dass man das elektronisch vereinbaren kann, sondern es geht dann von Mensch zu Mensch, von Angesicht zu Angesicht.
DOMRADIO.DE: Viele Gemeinden haben jetzt zu Weihnachten ja auch Gottesdienste im Internet angeboten. Waren Sie da auch digital aktiv?
Döring: Ja, genau. Wir haben mit den evangelischen Kollegen zusammen und mit der Unterstützung von ehrenamtlichen Profi-Kameramännern einen Online-Gottesdienst aufgezeichnet, speziell für Seeleute. Unser Seemanns-Pastor Pater Salinas hat gepredigt, zusammen mit einer evangelischen Kollegin. Und auch hier war es uns gerade in diesem Jahr ganz wichtig, viel Musik und Zeit für gemeinsamen Gesang einzustellen.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind in Hamburg auch etwa 70 Seeleute aus Kiribati gestrandet. Auch sie sind Weihnachten nicht bei ihren Familien. Wegen der Pandemie schloss der Pazifik Staat seine Grenzen selbst für die eigenen Bürger geht. Wie geht es den Seeleuten?
Döring: Für die ist das wirklich eine ganz, ganz große Herausforderung. Sie wissen einfach nicht, wie es weitergeht, wann sie wieder nach Hause dürfen. Sie verbringen die Zeit hier in Hamburg wartend. Und wer schon einmal gewartet hat, ohne wirklich ein Ziel zu haben oder zu wissen, wie kann ich den Tag verbringen, weiß, wie anstrengend das ist. Es war eine angespannte Zeit vor Weihnachten und zugleich versuchen wir alle, das so schön wie möglich zu machen. Es gab für die Seeleute Adventskalender, Zeit für Gespräche. Und ganz besonders schön war es für die Seeleute, dass sie aktiv an einem Weihnachtsgottesdienst mitwirken könnten, den der evangelische Seemanns-Pastor Matthias Ristau da dort gefeiert hat, wo sie eigene Gesänge, eigene Tänze beisteuern konnten. Und das zu sehen - es gab natürlich, wie das heutzutage so ist - kleine Videos davon, das ist wirklich anrührend.
DOMRADIO.DE: Wie würden Sie die Atmosphäre gestern beschreiben? Wie hat das auf Sie gewirkt?
Döring: Weihnachten fern von der Heimat, mit ganz viel Sehnsucht und trotzdem Freude darüber, was jetzt hier wirklich möglich ist. Und zugleich spürte man, dass ja eigentlich alle gehofft hatten - die ersten sind seit Oktober hier - dass sie eigentlich Weihnachten nicht mehr hier wären. Aber sie haben sich ganz doll auch über die Geschenke, die es gab, gefreut. Es war wirklich ein Sehnen und eine Freude und Traurigkeit, was alles zusammenkam an diesem Abend.
DOMRADIO.DE: Was können Sie für die Seeleute aus dem kleinen Inselstaat jetzt noch tun? Sie werden ja wohl noch länger in Hamburg bleiben.
Döring: Also zum einen erst mal einfach da sein, dass Sie merken, es kümmern sich welche um uns. Wir sind als Gesprächspartner hier und dann sind es ganz praktische Dinge, wenn es darum geht, dass jemand zum Arzt möchte, den Kontakt herzustellen, zur Rederei. Auch für mehr Internet zu sorgen, wir haben Sportgeräte gespendet bekommen... Solche Dinge zu tun, den ganz praktischen Alltag ein bisschen lebendiger zu machen.
Das Interview führte Carsten Döpp.