Wie geht Adveniat mit Herausforderungen durch Corona um?

"Pandemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger"

Wie andere Hilfswerke leidet auch Adveniat unter den Bedingungen der Corona-Pandemie. Adveniat-Bischof Franz-Josef Overbeck spricht von einem "herausforderungsvollen" Jahr. Auf Dauer werde man sich neu aufstellen müssen.

Adveniat: Weniger Spenden durch Corona-Pandemie / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Adveniat: Weniger Spenden durch Corona-Pandemie / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

DOMRADIO.DE: Corona-Zeiten sind schwierige Zeiten auch für Hilfswerke. Zum einen gibt es derzeit viele Organisationen, die um Spenden ringen, weil überall Hilfe nötig ist. Zum anderen haben hierzulande tausende Menschen ihren Job verloren oder sind in Kurzarbeit.

Für das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat ist traditionell eigentlich unter anderem Geld bestimmt, das in den Weihnachtsgottesdiensten in der Kollekte gesammelt wird. Aber diese Weihnachtsgottesdienste waren im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie nur sehr dünn besucht. Bischof Overbeck, wie schauen Sie auf das vergangene Jahr für Adveniat?

Franz-Josef Overbeck (Adveniat-Bischof und Bischof von Essen): Es war ein herausforderungsvolles Jahr, weil wir zuerst natürlich zu fragen hatten: Wie können wir angesichts der Corona-Pandemie, angesichts der vielen erkrankten, aber auch gestorbenen Menschen helfen? Wie können wir den Familien beistehen und natürlich für die Gesundheitsvorsorge mit Sorge tragen? Das haben wir nach dem Maß des für uns Möglichen, glaube ich, sowohl in Lateinamerika als auch in der Karibik gut geschafft.

Die zweite große Herausforderung bestand natürlich hier in Deutschland darin, zu fragen: Wie können wir angesichts der Corona-Pandemie mit den Einschränkungen der Teilnahme an den Gottesdiensten viele Menschen ermuntern, für uns und unsere Anliegen zu spenden? Auch hier haben wir festgestellt: Es sind über zehn Millionen Euro zusammengekommen. Das ist im Verhältnis zu vielen anderen eine echt große Summe, für die wir sehr dankbar sind. 

DOMRADIO.DE: Die Spenden aus der letzten Weihnachtskollekte sind in den offiziellen Zahlen ja noch gar nicht berücksichtigt. Aber Sie schätzen trotzdem, dass sie um knapp die Hälfte eingebrochen sind. Wie federn Sie das ab? 

Overbeck: Wir haben natürlich schon vor einiger Zeit angefangen, nach anderen Quellen Ausschau zu halten. Wir machen Spenden-Mailings und bekommen durch größere Aktivitäten bei Einzelspendern und Einzelspenderinnen einige große Summen zusammen. Auch das hilft uns, diese Abfederung so zu gestalten, dass wir sagen können: Wir helfen, wo wir können und tun das doch mit einer guten Summe. 

DOMRADIO.DE: Trotzdem hat Adveniat insgesamt weniger Spenden erhalten als in den Vorjahren. Das war vorauszusehen. Welche Folgen hat das jetzt? Bekommen Hilfsprojekte vor Ort weniger Geld? Oder bekommen sie vielleicht sogar gar keine Unterstützung mehr von Ihnen? 

Overbeck: Doch. Es gibt eine gute Strategie: Durch die vielen guten Jahre, die wir vorher hatten, konnten wir natürlich auch entsprechende Summen zurücklegen, sodass wir all die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen können und auch erfüllen wollen.

Das Zweite ist, dass wir viel von dem Geld jetzt zur Unterstützung der Genesung und der Bewältigung der Corona-Pandemie investieren.

Und drittens stellen wir auch fest: Aufgrund der ja auch in Lateinamerika schwierigen Zeit, die ganz viele Begegnungen nicht zulässt, kommen zurzeit weniger Anfragen zur Projekt-Unterstützung auf uns zu. Das hilft jetzt gerade in diesen Zeiten, das Ganze abfedernd zu bewältigen. Auf Dauer werden wir uns neu aufstellen müssen, das ist uns sehr klar. 

DOMRADIO.DE: Gibt es da schon Pläne? 

Overbeck: Es gibt natürlich Gedanken dazu. Aber wie sich das Szenario jetzt entwickelt, das werden wir in den nächsten Jahren erst sehen können.

DOMRADIO.DE: Lateinamerika ist schwer von der Corona-Pandemie betroffen. Wie hilft Adveniat den Menschen konkret in dieser Situation vor Ort? 

Overbeck: Wir haben zum Beispiel sehr konkret in Lima und in anderen Städten den Menschen geholfen, die Sauerstoff brauchen. Wir haben entsprechende Geräte organisiert. Ich denke aber auch an den Amazonas. Es gibt dort ganz gute Kontakte: Der Bischof von Óbidos hat zwei große Schiffe organisiert, auf denen Menschen jetzt behandelt werden. Das unterstützen wir sehr konkret. 

DOMRADIO.DE: Wie blicken Sie in die Zukunft? Glauben Sie, dass nach der Pandemie die Spendenzahlen wieder steigen, auch bei Adveniat?

Overbeck: Wir erleben ja schon seit Jahren, dass die Kollekte an Weihnachten geringer wird. Das liegt an der Zahl der Besucherinnen und Besucher der Gottesdienste, an ihrem Altersquerschnitt. Aber das liegt natürlich auch daran, dass der Spendenmarkt größer geworden ist, der zu bedienen ist.

Die Corona-Pandemie ist für viele kirchliche und gesellschaftliche Herausforderungen so etwas wie ein Brandbeschleuniger. Das werden wir auch jetzt an der Entwicklung von Adveniat sehen und in vielen, vielen anderen kirchlichen und sonstigen gesellschaftlichen Wirklichkeiten.

Das Interview führte Michelle Olion.


Bischof Franz-Josef Overbeck / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Franz-Josef Overbeck / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR