Kasachstan. Ein Land zwischen Russland und China. Riesig, rohstoffreich, dünn besiedelt. Autoritär regiert. Im Winter eiskalt, im Sommer heiß. Mehrheitlich muslimisch und doch multikulturell und multireligiös. Eine große Minderheit ist russisch-orthodox, eine sehr viel kleinere katholisch, darunter einige Franziskus-Kritiker.
Warum reist ein Papst in dieses ferne Land - zumal sein Wunsch-Gesprächspartner, Moskaus Patriarch Kyrill I., gar nicht da ist?
Um an einem Ort zwischen "Ost und West", "Asien und Europa", an einem geopolitischen Knotenpunkt Religionsführer zu treffen. Und um im Beisein aller, essenzielle Botschaften zu vermitteln: gegen Hass und Krieg, für Frieden und Religionsfreiheit. Gegen Rüstungsexporte. Für mehr Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Für den interreligiösen Dialog.
Gemeinsame Erklärung zum Schluss
Zwei Tage steht der "Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen" im Fokus der dreitägigen Reise. Seit beinahe 20 Jahren lädt die kasachische Regierung alle drei Jahre Religionsführer aus aller Welt in ihre Hauptstadt. Es begann als eine Reaktion auf den islamistischen Terroranschlag vom 11. September 2001 und ist zu einem Zusammentreffen von rund 100 Delegationen aus 50 Ländern geworden.
Christen, Juden, Muslime, Hindus, Buddhisten und weitere Glaubensgemeinschaften treffen aufeinander. Wie viel echter Dialog dabei entsteht, ist nach dem monologreichen Auftakt etwas fraglich.
Am Ende gibt es immerhin eine gemeinsame Erklärung. Die UN-Vollversammlung soll sie offiziell erhalten.
Für Gastgeber Kassym-Schomart Tokajew, seit 2019 Präsident der zentralasiatischen Republik, ist dieser Kongress eine Möglichkeit, die Errungenschaften seines Landes ins richtige Licht zu rücken.
Dieses Mal sogar vor Papst Franziskus. Gerne lässt er sich loben für die Abkehr von Atomwaffen oder für ökologische Fortschritte. Das Land steht Russland und China nicht nur geografisch nahe. Doch es will nicht von den großen Nachbarn vereinnahmt werden - auch nicht im Ukraine-Krieg. Die innenpolitischen Proteste und Ausschreitungen zu Jahresbeginn werden vom Papst zwar erwähnt, aber in Zeiten eines großen Krieges scheinen sie fast in Vergessenheit zu geraten.
Tischtuch zwischen Papst und Kyrill nicht zerschnitten
Der Krieg in der Ukraine ist allgegenwärtig, auch wenn er in der Abschlusserklärung nicht beim Namen genannt wird. In Franziskus' Reden, in den Ansprachen der anderen, in der Anwesenheit der russischen Delegation unter Führung von Metropolit Antonij, der rechten Hand von Moskaus Patriarch Kyrill I. Immer wieder ist der bange Blick auf den Krieg spürbar. Die Hoffnung auf ein persönliches Treffen von Papst und Patriarch hatte sich im August zerschlagen.
Aber wie der Metropolit und Kurienkardinal Kurt Koch als päpstlicher Ökumene-Beauftragter betonen: Das Tischtuch scheint nicht zerschnitten. Ein Austausch kann - irgendwann - doch noch stattfinden.
Der Papst nutzt seine Ansprachen, um für Frieden zu werben. Ein alter, ja gebrechlicher Mann im Rollstuhl, der am "Ort der Begegnung", wie er ihn nennt, aufrütteln möchte. Auch wenn es ihn sichtlich Kraft kostet. Religionen seien nicht das Problem, sondern Teil der Lösung, sagt Franziskus. "Gott ist Frieden und führt immer zu Frieden, niemals zum Krieg." Er warnt vor "Terrorismus mit pseudoreligiösem Charakter, Extremismus, Radikalismus und Nationalismus unter dem Deckmantel der Heiligkeit". Und er verurteilt Hass: "Wir können nicht so weitermachen, gleichzeitig verbunden und getrennt, vernetzt und zerrissen durch zu viel Ungleichheit."
Gemeinsamer Einsatz gegen Hass, Terrorismus und Krieg
Mit fast gleichen Worten fordert die Abschlusserklärung der Religionsführer mehr Einheit und Verständnis im gemeinsamen Einsatz gegen Hass, Terrorismus und Krieg. Für Religionsfreiheit und Menschenrechte. Auch die Gleichberechtigung aller Menschen findet sich in der Erklärung. Ein Punkt, den Franziskus in seiner letzten Rede aufgreift: Er fordert mehr Einbeziehung, Respekt und Verantwortung für Frauen. "Wie viele Entscheidungen des Todes würden vermieden, wenn eben gerade Frauen im Zentrum der Entscheidungen stünden", sagt der Papst.
Die Mehrheit der Teilnehmer hat die Erklärung unterzeichnet. Wer zur Minderheit gehörte, bleibt im Vagen. Möglich, dass einigen islamischen oder jüdisch-orthodoxen Vertretern der Ruf nach Frauengleichberechtigung in dem Text zu weit ging.
Der interreligiöse Dialog sei "ein dringender und unersetzlicher Dienst an der Menschheit", sagt Franziskus. Das scheinen die meisten Teilnehmer des Religionstreffens zu unterstützen. Was konkret daraus folgt, ist offen. Doch, wie Kurienkardinal Kurt Koch mit Blick auf die russisch-orthodoxe Kirche bekräftigt, der Dialog darf nie aufgegeben werden. Sonst gibt es keine Möglichkeiten für gemeinsame Lösungen.